Weise und reflektiert, poetisch und mit klaren Ansagen: Der Britfolk der hoch geschätzten Engländerin hält das hohe Niveau der Vorgänger.

Zu Beginn macht sich die erstaunliche Laura Marling zum Pferd. Nein, singt sie zu sparsamen Akkorden und geisterhaften Synthesizern, sie stehe ab sofort nicht mehr als stolzes Ross für diesen Krieger bereit, sie sei nun ein Pferd ohne Namen und suche sich einen neuen „Warrior“. So sagt man wohl „it’s all over now“ im britischen Folk, Jason Williamson von den Sleaford Mods würde es sicher anders formulieren. Aber sage keiner, die Engländerin verstecke sich im weiteren Verlauf ihres fünften Albums hinter ihrer Poesie: SHORT MOVIE besitzt wie schon die vier Alben zuvor eine stellenweise sehr direkte Ansprache, vor allem dann, wenn es darum geht, das eigene Verhalten zu analysieren.

„Strange“ ist eine reife Selbstreflexion in Sachen Liebe, gesungen mit der aufgeweckten Lebensweisheit einer PJ Harvey oder Patti Smith, gerichtet an einen verheirateten Mann, der nach diesen Zeilen nun weiß, was im blüht. „Don’t Let Me Bring You Down“ enthält satte Drohungen zu dunklem Bluesrock im Stil des Gun Club: „Do I look like I’m fucking around?“ Wer es etwas sinnlicher mag: „Gurdjieff’s Daughter“ verweist auf den griechisch-armenischen Spiritualisten Georges Gurdjieff, der auf der Schwelle zum 20. Jahrhundert das Konzept des „Vierten Weges“ entwickelte, das einen – verkürzt gesagt – entweder sehr klug oder esoterisch komplett verstrahlt werden lässt. Marling singt den Song, als kenne sie beide Seiten und habe nun einen Ratschlag parat: „Don’t be impressed by big personalities.“ „Gurdjieff’s Daughter“ ist wie so viele Songs auf SHORT MOVIE eine atemberaubende Erzählung über ein Ich im Werden. Zuletzt zog Laura Marling von England nach Los Angeles.

Die 25-Jährige führt seit Langem ein rastloses Leben. Sie schreibt, nimmt auf, spielt live – und will nun ausgerechnet in L. A. eine Heimat finden. Viele junge Menschen sind dort gescheitert. Auch talentierte. Aber nur wenige dürften sich selbst so genau gekannt haben wie Laura Marling. Im Titelsong „Short Movie“ hinterfragt sie sich erneut selbst: „Who do you think you are? Just a girl that can play guitar?“ Im Hintergrund kratzen Streicher, die Trommeln wirbeln, die Gitarre schrammelt, Marling drängt ans Mikro und klingt wie eine sehr verärgerte Joni Mitchell: „It’s a short fucking movie, man!“ Die besten Kurzfilme erzählen in wenigen Minuten eine komplette Geschichte, bieten am Ende einen starken Twist – und wirken dennoch weder gehetzt noch überladen. Sie spielen mit dem Wissen der Zuschauer, dürfen darauf bauen, dass es sich dabei um Kenner handelt, die nicht für alles eine Erklärung benötigen. In diesem Sinne ist jeder Song dieser Platte ein klassisches SHORT MOVIE: formvollendet, packend erzählt – und gesegnet mit einer herausragenden Protagonistin. Laura Marling hört nicht auf damit, die immer höheren Erwartungen, die man in sie setzt, zu erfüllen.