Laura Marling
Semper Femina
More Alarming Records
Studien zur Weiblichkeit, verpackt in gekonnte Folk-Songs mit gelegentlicher Prog-Prägung.
Wie interessant sich Laura Marling doch wandelt! 2008 seufzte sie auf ihrem Debüt mit viktorianischer Wehmut, das Schwimmen nicht zu beherrschen. 2010 folgte dann das selbstbewusste I SPEAK BECAUSE I CAN, eine Abhandlung über Verantwortung. Ein Jahr später stellte die Britin dann jedoch fest, dass sie sich selbst nicht recht versteht: A CREATURE I DON’T KNOW handelte von der Sinnsuche, die Songs wurden immer besser. Anschließend übte sich Laura Marling mit ONCE I WAS AN EAGLE in Transzendenz, SHORT MOVIE setzte 2015 die Suche nach der eigenen Identität mit Hilfe von präzisen situativen Stücken fort. In L. A. entstand nun ihr sechstes Werk: SEMPER FEMINA, ein Album über die Weiblichkeit.
Die britische Singer/Songwriterin hatte zunächst den Plan gefasst, für diese Lieder die Perspektive eines Mannes einzunehmen; sie glaubte, durch diesen Trick direkter und unverkrampfter über Weiblichkeit schreiben zu können. Marling merkte aber schnell, dass die Scharade erstens nur ablenkt und zweitens zur Schauspielerei verführt. Der Titel sagt es ja aus: SEMPER FEMINA – jederzeit weiblich. Das erste Stück „Soothing“ führt Laura Marling zunächst einmal weg vom Folk. Es klingt wie ein nicht-elektrisches Stück von Radioheads A MOON SHAPED POOL und ist einer dieser Songs, bei denen man sich beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie man so etwas komponiert.
Doch die Abkehr vom Folk ist nicht endgültig, schon auf „The Valley“ zupft sich Marling zu Streichern ins Nirwana und orientiert sich dabei am ikonischen Folkie John Martyn, dessen transzendente Arrangements bei der jungen Britin große Wirkung hinterlassen haben. Thematisch zur Sache geht’s im Herzen der Platte: Bei „Wild Fire“ findet sie in der Strophe die stimmlichen Nuancen von Lou Reed, der Refrain besitzt viel Soul. Wildheit ist auch das Thema bei „Wild Once“, es geht darum, sich zu erinnern, wo wir Menschen eigentlich herkommen. Folk und Evolutionstheorie – das ist der Anspruch dieser Singer/Songwriterin im Jahr 2017.
Am liebsten kleidet Marling ihre Gedanken auf SUPER FEMINA in fabelhaft gezupfte Folksongs, die Dramaturgie bricht aber häufig genug, um die Sache nicht langweilig zu machen. Das Läuterungslied „Next Time“ besitzt einen fantastischen Zwischenteil, in dem die Streicher unvermittelt ihren harmonischen Pfad verlassen und für ein paar Takte zusammen mit einer Art synthetischem Dudelsack wie fehlgesteuerte Satelliten übers Notenblatt schwirren.
Das letzte Stück heißt „Nothing, Not Nearly“, Marling begibt sich auf die Spuren von Kolleginnen wie Aimee Mann und Fiona Apple, die eine Möglichkeit des Folksongs im Reich des Alternative Rock sehen. Zwischendrin erzeugt eine aufdringliche E-Gitarre viel Krach, am Ende arbeitet sich Marling jedoch ganz allein mit ihrer akustischen Gitarre durch eine sehr anspruchsvolle Coda. Die Britin will zeigen, was sie kann. Und der Hörer staunt nicht schlecht.