Kunst & Kikeriki

F. W. Bernstein, das sollte man nicht mehr sagen müssen, muss man aber immer wieder betonen, ist eine der zentralen Figuren der Neuen Frankfurter ¿* Schule, als Zeichner meiner bescheidenen Ansicht nach der größte unserer Zeit und als Autor und Lyriker mitunter schlicht ein Genie. Bernstein ist, wie dieser Sammelband abermals bestätigt, zudem ein hochglaubwürdiger Verfechter, „der graphischen Wahrheits- und Klarheitslindung“, ein Aufklärer, der gegen die deutsche Tiefe einschreitet und sich der Äußerlichkeit „ohne Ächzen und Schwitzen“ zeichnend und dichtend verschreibt. Bernstein ist ein untadeliger emeritierter Professor für Karikatur, der die „Dreckflut des Gedruckten“ sichtet und eindämmt, der „Picassos Drecksack-Karikatur“ preist, der angesichts der unablässig quallenden und quiUenden Kunstkritik nach Brechts „Kotzkübel“ ruft und der das Geschmiere eines Beuys wunderbar mühelos seiner Erledigung zuführt. Noch viel eindrücklicher ist Bernstein aber als warmherziger Sinnentwerter, als anheimelnd flapsiger Flaneur, der durch die Welt spaziert und die wichtigen Kleinigstkeiten notiert, als Essayist „War Wilhelm Busch der bessere Wagner?“! und als Linguist, der sich mit der sprachlichen Ehe von „Sang und Klang „experimentell und expeditionell beschäftigt. Dabei hat es ihm einerseits das Wort., „UTSCHL“ angetan, desgleichen Eckhard Henscheids onomatopoetische Kreation „UMPF“, andererseits interessieren ihn „die in Umlauf befindlichen Lautwährungen“, insbesondere die Transkriptionen der Intonationen im Tierreich, vorderhand die Musik der Vogelschar. „Wie kommt es“, fragt er, „dass die estnische Ente.PRÄÄKS PRÄAKS‘ sagt, alle anderen europäischen Enten aber „Quak?“ -Einschub: „Zusatz: Immer wieder wird die Frage gestellt, wie es die Rohrdommel macht. Comenius weiß es: (..) die Rohrdommel steckt den Schnabel ins Wasser und brummt wie ein Ochs. „So. Was aber wissen wir über den „Hahn als Einheit in der Vielfalt ? Der Amerikaner, unterweist uns Bernstein, legt seinem Rooster ein „cock-a-doodle-doo “ in den lauten und vorlauten Schnabel, und von da, schließt FWB. „ist s nicht weil zum Scotsong im Jazz- und zum Urlaut des Rock n -Roll: „AwopBopaLooBopALopBomBoom'“. Nun ist es auch von der lettischen Ente über den weltweiten Kulturvermittler Hahn zu Brehm Alfred] nicht weit. „Wenige Arten dürfen schweigsam genannt werden: die meisten schreien gern und viel“, tadelt Papa Brehm den Scharrvogel und die Rockmusik und macht sich anderweils anheischig, die Wachtel zu kritisieren-. „Man kann die Wachtet wedereinen schönen noch einen begabten Vogel nennen“, zumal auf Grund ihres“.bekonnten .Bückerwück'“, behauptet er. Eine ähnlich irrige Auffassung vertrat Mark Twain, der.. die für ihr wildes Temperament bücher

berühmte Wachtet schmähte. Bernsteins Vogelgesangslehre tritt beiden entgegen, um sich en passant der „Wollmolchsau“ zu widmen und in 18 Zweizeilern das „Lob des Staren“ von Konrad Weigle anstimmen zu lassen. „Er reckt den Hals und guckt nach oben. /Ich will den Hälserecker loben“. beginnt es. Und die lettische Ente? Links liegen gelassen? Nein. Lettland wollen wir loben, / Da rangieren die Enten ganz oben.