Kunst für die Konsole

Videospiele sind Kunst. Punkt. Es ist nicht nur eine Kunst, ein vernünftiges Szenario zu schreiben, die dazu passenden Figuren zu entwerfen und in schmucke Hintergründe hineinzuprogrammieren. Auch der alte Satz von der „Kunst als Spiegel der Gesellschaft“ ist übertragbar auf die Pop- und somit auch insbesondere die Gamingkultur. Daß mancher noch immer denkt, Gewalt in der „zweiten Realität“ könne als Auslöser für Greueltaten in der ersten hinhalten, liegt im Zweifel daran, daß Videospiele als Objekt des Kulturverständnisses in unseren Breitengraden noch nicht wirklich allgemein anerkannt sind. Ein kleines Museum in der norwegischen Pophauptstadt Bergen zeigt, wie der Kunstdiskurs an der Konsole aussehen kann: Die Bergen Kunsthall beschäftigt sich dieses Jahr beinahe ausschließlich mit dem Thema Game. Internationale Künstler zeigen beispielsweise gerade in der Ausstellung Game Dump ihre Arbeiten – und ein breites Spektrum virtueller und tatsächlicher Realität. Da werden virtuelle Objekte der Begierde in die „erste Realität“ übertragen, und man steht plötzlich neben riesengroßen Pinguinen in Gummibällen, die man lustig umherschubsen kann. Oder man beobachtet sich selbst dabei, wie man zuerst mit hämischem Grinsen in einer sehr realen Voodoo-Puppe herumstochert, bis der dicke virtuelle Chef auf dem angeschlossenen Monitor zusammenbricht und das Gewissen wieder wach wird. Einen Raum weiter wird der Besucher mit überlebensgroßen Kampfszenen in Endlosschleife konfrontiert, die in der Zeitlupe alles Schockierende verlieren – Demontage mit einfachsten Mitteln. Künstler Palle Torsson erforscht die Beschaffenheit des „unheimlichen Raums“, indem er berühmte Locations aus Filmen wie The Shining oder Clockwork Orange erst in ein virtuelles Pixeluniversum und schließlich auf Leinwände transportiert. Und als Besucher findet man sich in der seltsamen Welt aus unwirklich Vertrautem zurecht wie in einem Spiel mit intuitiver Steuerung. Man darf anfassen, ausprobieren, staunen, sich fürchten und darüber lachen; die Interaktivität aus der Welt der Controller und bewegten Bilder wird hier ganz selbstverständlich beibehalten. Der bemerkenswerteste Beitrag und konkreteste „Spiegel der Gesellschaft“ ist ein Spiel, das die Tatsache, daß mittlerweile schon Soldaten durch Computersimulationen auf Kriege vorbereitet werden, stärker nicht konterkarieren könnte: Als „iranische Flüchtlinge“ müssen die Besucher durch Konversation, Beobachtungsgabe und Strategie einen Weg aus dem Abschiebeknast finden. Wird man erwischt, geht es zurück in die Heimat und dem sicheren Tod entgegen. Ähnlich kontrovers dürfte höchstens das Actionspiel 9/11, bei dem man aus den brennenden Twin-Towers fliehen muß, diskutiert werden.