Kevin Drew
Darlings
City Slang/Universal (VÖ: 21.3.)
Seitenwege im Soft-Pop, sanft Orchestrales und ausgeschlafener Indie-Rock mit elektronischen Bausteinen.
Ob es Broken Social Scene als Band noch gibt? Als Idee wahrscheinlich schon. Das, was die kanadische Großgruppe über ein Jahrzehnt produzierte, hatte mit Lust am Experiment und offensiver musikalischer Promiskuität zu tun. Mit kontrolliertem Chaos in einem Freundeskreis von bis zu 30 Musikern, der sich verabredete und wieder auseinanderging.
Die Bandmitglieder haben sich in den letzten Jahren vermehrt auf weitere Projekte oder Solokarrieren eingelassen (Amy Millan, Emily Haines, Jason Collett). So auch BSS-Gründer Kevin Drew, an den Aufnahmen zu seinem zweiten Soloalbum nach SPIRIT IF … von 2007 waren dann auch wieder (ehemalige) Kollegen beteiligt (Charles Spearin, Ohad Benchetrit, Dean Stone und Leslie Feist, die einmal singt).
Der Sänger und Multiinstrumentalist hält aber über diese 42 Minuten die Fäden hörbar in der Hand, die Instrumente finden den ihnen zugewiesenen Platz in wohlfeilen Arrangements, es hat sich ausgeschlafen auf DARLINGS. „Mexican Aftershow Party“ haftet etwas sanft Orchestrales an, „You Gotta Feel It“ ist der Coldplay-Song, der im Coldplay-Œuvre noch fehlt. „Bullshit Ballad“ kommt als Indie-Rock-Statement mit elektronischen Satzstoppern der BSS-Idee noch am nächsten, „My God“ ist eine Übung in Minimalismus.
Und mit „First In Line“ gelingt Drew ein hübsch hin- und herwippender Popsong unter Aufbietung einer gewissen instrumentalen Dezenz. Wohin der Mann will? Schwer zu sagen. Das dionysische Element, die wild wogenden, barock ausladenden Arbeiten im Kollektiv Broken Social Scene wird man hier vermissen. In diesen leicht schwebenden, mehrheitlich verträumten Songs aber entdeckt Drew musikalische Seitenwege, die noch zur Entdeckung ausgeschrieben sind.