Kettcar :: Zwischen den Runden
Streicherarrangements statt Gitarren: Kettcar wollen nicht mehr Rock sein, bleiben sich aber trotzdem treu.
Es beginnt wie noch nie: Ein satter, runder Bläsersatz dreht sich einmal im Kreis, wird immer kräftiger und wächst und steigert sich, immer weiter, immer höher. Auch wenn dieser traditionelle Northern-Soul-Einstieg kurz vorm Orgasmus abgebrochen wird, stellt er doch klar: Auf ihrem vierten Album wagen Kettcar einen musikalischen Neuanfang. Sicher, auch in der Vergangenheit haben sie immer wieder mal versucht, aus ihrem bekannten Muster auszubrechen und auch diesmal gibt es nachgerade klassische Kettcar-Stücke wie das atemlos vorantreibende „R.I.P.“, in dem Rhythmus und Text nahezu eins werden. Aber in diesem Song und auch sonst auf Zwischen den Runden erzeugen nicht wie einst die Gitarren die Vorwärtsbewegung, sondern ein Streicherarrangement. Andere Lieder bemühen sich nicht nur um eine neue Instrumentierung, sondern suchen auch nach neuen Strukturen. So besteht „Schwebend“ nur aus Klaviertupfern, einem Cello und sanftem Geklapper und „In deinen Armen“ verirren sich Kettcar in einen Jazz-Keller, während Marcus Wiebusch so etwas wie einen küstenknorrigen Barry White nachstellt. Auch ansonsten: Fast ausschließlich akustische Instrumente, viele weiche Töne und wenig Rock. Nur textlich ist Wiebusch weiter ganz der Alte, verteilt souverän semantische Spitzfindigkeiten („für alles einen Grund, aber für nichts eine Erklärung“) zwischen den präzisen Alltags- und Beziehungsbeobachtungen, die gelegentlich zum Moralkompass zugespitzt werden. Kurz: Kettcar gelingt das Kunststück, sich neu zu erfinden und sich doch treu zu bleiben.
Key Tracks: „Im Club“, „Kommt ein Mann in die Bar“, „Erkenschwick“
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