K1 von Rainer Langhans & Christa Ritter

Es ist ein Kreuz mit den Jahrestagen im deutschen „Kultur“-Plapperbetrieb: Exponentiell steigende Talk-Sendezeiten müssen mir Gebrabbel und bunten Bildern gefüllt werden, die aber leider nicht mehr werden. Das gilt auch für das zentrale Phänomen der „68er“, die Kommune 1, die Anfang 1967 Uwe Johnsons Wohnung in Berlin „kaperte“, um die bürgerlichen Lebensverhältnisse zu revolutionieren, von Nationalspießer G. Grass geräumt, vom SDS wegen „volumaristischem Aktionismus“ ausgeschlossen, über spektakuläre, meist anarchistisch-witzige Aktionen zur professionellen Medienspektakelgruppe wurde und endlich an sich selbst und den Verhältnissen zerbrach: Die „öffentlichen“ Bilder sind weitgehend bekannt, die privaten wenig aufschlussreich und überhaupt wenig, weil die seit Jahrzehnten verfehdeten Exkommunarden null bis kaum Bereitschaft zeigten, ihre Alben zu öffnen. Das „Bilderbuch“ ist denn auch hübsch anzuschauen, aber seltsam unbefriedigend, unfertig nicht oder vielleicht auch im Sinne der Unvollendetheit der Revolte und vor allem vieldeutig: Um was es (vielleicht) ging, verschwimmt hinter dem Drang zur (Selbst-)Darstellung, trotz oder wegen Rainer Langhans‘ arg sparsamem Kommentar. Sparsamkeit ist auch das auffallendste Element an Langhans‘ Erinnerungen an die „ersten 68 Jahre“, von denen wir auf 168 Seiten plus Anhang (Auszüge aus Tagebüchern 1958-64 und Briefen an Uschi Obermaier) von Bundeswehr bis Samenverminderung, Elternhaus bis Harem nur Splitter und Andeutungen erfahren. Das aus Gesprächen mit Verleger Wolfgang Farkas entstandene Buch ist angenehm und leicht zu lesen, vielleicht gerade weil Langhans merkwürdig uneitel und aufgeräumt plaudert, aber wer hofft, Zeitgeschichte oder auch „nur“ Lebensgeschichte authentisch, atmosphärisch, gar detailliert vermittelt zu bekommen, sollte wenig erwarten. Ein paar Namen fallen, größtenteils die bekannten, aber es scheint, als hätte der (neben Teufel und Kunzelmann) Hauptprotagonist jener zwischen Situationismus, Krawall, Drogen und Selbsterfahrung zu verortenden 68er-Strömung, der mehr einfiel als Umsturz, an (nicht nur) dieser Zeit das Interesse komplett verloren: Immer wieder läuft seine Erzählung auf Vagheiten wie „Ständig war was los, und ständig waren wir unterwegs und haben was gemacht“ und esoterische Trivialitäten hinaus. Das Private mag politisch sein – manchmal ist es auch banal. >» www.freenet-homepage.de/visionen/