Judee Sill :: Abracadabra: Asylum Years Elektra/Rhino/WSM/Warner

Wer glaubt, dass die kurze Vita von Folk-Lichtgestalten wie Nick Drake, Sandy Denny und Tim Buckley herzerreitiend-traurig sei, kennt die Geschichte der Amerikanerin Judee Sill nicht. Die 1979 im Alter von 35 Jahren an ihrer Heroinabhängigkeit elendig zugrunde gegangene Singer/Songwriterin galt zu Westcoast-Hochzeiten Anfang der 70er nicht nur im Heimatland, sondern vor allem im trendbewussten London als „Next Big Thing“. Ein hochgelobter Auftritt in der BBC-TV-Show „Old Grey Whistle Test“ unterstrich ihre Attribute: Judee Sill war genial wie Joni Mitchell, eindringlich wie Carole King, manisch wie Judy Collins, aber auch mit dem Hang zur rührenden Sentimentalität ausgestattet. Asylum-Label-Mogul David Geffen kam an dem Multitalent nicht vorbei. Die Lebensgeschichte der Singer/Songwriterin machte 1971 nach Erscheinen des ersten, JUDEE SILL benannten Albums, nun komplett Bestandteil des mit Demos, Outtakes und Alternativ-Mixen kompilierten 2-CD-Sets abracadabra: the asylum years, schnell die Runde in der Musikpresse: Von alkoholkranken Eltern war da die Rede – was das frühe Abnabeln vom Elternhaus und jahrelanges Herumvagabundieren folgen ließ. Dazu gesellte sich eine frühe erste Ehe, die tragisch endete.

als der Gatte auf einer Dosis LSD tödlich verunglückte. Aber auch Judee Sills fast schon surrealer Glaube an Gott und an den Okkultismus. Über die Zeit vor ihrer Künstlerkarriere, wo sie als Prostituierte tätig gewesen sein soll, die sich ihren täglichen Heroinkonsum erwirtschaften musste, und über einen dreimonatigen Gefängnisaufenthalt wegen illegalen Drogenbesitzes, durfte die spröde Sill in der moralisch strengen Ära nicht sprechen. Entdeckt wurde die im Clubzirkel von L.A. umherirrende Folksängerin schließlich von Graham Nash, der auch ihre erste Single „Jesus Was A Crossmaker“ produzierte. Das Songjuwel findet sich auch auf dem ausgezeichneten, von Ex-Ehemann Bob Harris beaufsichtigten Debüt – übrigens das erste Album, das auf dem gerade frisch gegründeten Plattenlabel Asylum erschien. Zwei Jahre später folgte das noch ambitioniertere heartfood. Es wurde euphorisch rezensiert rund um den Globus und vom Plattenkäufer ignoriert.

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