Joni Mitchell – Both Sides Now
Elaborierter Orchesterschmelz samt Streichern, Pauken und Trompeten; die beiläufige Virtuosität Wayne Shorters (Saxofon), Herbie Hancocks (Piano) und anderer Edel-Sidemen; zehn Klassiker populären amerikanischen Liedguts der 20er bis 40er Jahre, dazu zwei eigene Songs, perfekt eingepasst in eine schwelgerische Charade von Liebe und Schmerz: Joni Mitchell riskiert viel auf BOTH SIDES NOW – und scheitert. Erhobenen Hauptes zwar, wie es einer großen Künstlerin geziemt. Aber immerhin. Das Problem liegt nicht darin, dass die Kanadierin Grenzen überschreitet. Das tut sie seit 1968 unablässig, hat beizeiten Wunderbares geschaffen, sich mitunter in allzu Wunderlichem verzettelt. Das Problem liegt darin, dass sie, ein Genie kühl-sezierender Abstraktion, auf diesem Album in Konkurrenz tritt zu Ella Fitzgeralds verzehrendem Liebesfeuer in „You’re MyThrill“ ; zu Billie Holidays nachtschwarzer Verzweiflung in „Stormy Weather“. Die Liste ließe sich verlängern um Namen wie Frank Sinatra oder-ja, auch der – Bing Crosby. Jede einzelne dieser Song-Perlen erhielt den Schimmer der Ewigkeit lange bevor sich Miss Mitchell ihrer annahm. Was außer elegantem Epigonentum möglich gewesen wäre, zeigen „ACase OfYou“ und „Both Sides Now“: selbstreferenziell, gewiss, doch gleichzeitig selbstbewusst und mit Grandezza in lichte Höhen abhebend:“But now old friends are acting strange/They shake their heads.they say l’ve changed/Well something’s lost, but something’s gained/ln living ev’ry day.“ Beide Seiten. Jetzt.
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