Joe Goddard
Electric Lines
Domino/GoodToGo
Das Hot-Chip-Mitglied legt eine Dancefloor-Leistungschau vor.
Kindergackern und Lachen, die Ahnung einer Melodie, dann setzt er ein, der Rhythmus, erst zögerlich, leicht synkopiert, dann sicherer, selbstbewusst. „Sanity serves no point of view“, singt Jess Mills, und wenn sie eine Botschaft sein soll, diese erste Zeile des ersten Solo-Albums von Hot-Chip-Mitbegründer Joe Goddard, wenn also diese Absage an die Vernunft Programm sein soll, dann ist der Dancefloor der Ort, an dem der Mensch gesunden kann.
„Ordinary Madness“ heißt der Song, beschlossen werden wird ELECTRIC LINES schließlich mit diesen Zeilen: „Music is the answer to your problems, keep on moving, then you can solve them.“ Und tatsächlich klingt das Album wie eine Leistungsschau vergangener und aktueller Tanzmusiken. In „Lose Your Love“ verbeugt sich Goddard vor den Disco-Bee-Gees. In „Home“ konfrontiert er eine stahlblaucoole Fingerschnipp-Chillout-Ballade, mit einem frenetischen Gospel-Refrain. Er verschneidet unrhythmischen Drum’n’Bass mit sanften Dub-Schlieren, untersucht Detroit House und Berliner Minimal auf ihre Aktualität und befindet sie für tauglich.
So klingt kaum ein Stück wie das andere, aber mitunter hat man schon das Gefühl, Goddard wolle wie der Zauberlehrling, der bereut, was er angerichtet hat, pflichtschuldigst seine Einflüsse aufzählen. Erst dann, wenn im Titelsong der alte Hot-Chip-Kumpel Alexis Taylor den Gesang übernimmt, dann kommt Goddard wieder ganz zu sich selbst, zu der Idee von intelligentem Indie-Dancefloor, den die beiden einst mit ihrer gemeinsamen Band definierten. Und diese Idee ist immer noch ziemlich großartig.