Die Britin übersteht mit der Soul-Elektronik-Fusion den Balanceakt zwischen anspruchsvoll und eingängig nicht so elegant wie zuvor.

Als 2012 ihr Debüt DEVOTION erschien, hatte man das Gefühl, es hätte eine Jessie Ware gebraucht, um eine musikalische Brücke fertigzubauen: Adele hatte gerade sechs Grammys gewonnen, Emeli Sandés Debütalbum OUR VERSION OF EVENTS war das erfolgreichste britische Album des Jahres – Soulfulness das Wort der Popstunde. Und BANG! Plötzlich kam da mit Jessie Ware alles zusammen: Ihre Musik war ein prickelnder Hybride aus heartbreaking Soul, stolpernder Two-Step-Rhythmik und ausgeklügelten Synthie-Melodien.

Womit wir bei TOUGH LOVE wären: Das nämlich versuppt leider in eben der Bodenständigkeit, die die Londonerin der vertrackten Elektronik immer so wunderbar entgegenzusetzen wusste. Klar, da ist immer noch diese große Stimme, ­Wares Hauptattraktion – kraftvoll und elegant, eindrucksvoll in den lauten wie in den leisen Tönen. Trotzdem plätschern die Songs merkwürdig wirkungslos vor sich hin. Obwohl mit dem Producer-Duo BenZel (Two Inch Punch, Benny Blanco) zwei Szenegrößen für den Sound verantwortlich zeichnen, gibt es auf der ganzen Platte vielleicht zwei – oder sagen wir zweieinhalb Hits: „Tough Love“ beeindruckt als zarte, luftig schwebende Ballade über nervöser Drum-Machine, die Prince’ „Little Red Corvette“ heraufbeschwört. Toll ist auch der hypnotische Refraingesang von „Champagne Kisses“ und seine sprudelnden, funky Synthieläufe. Der halbe Hit ist „Sweetest Song“, in dem Ware die ziemlich hohle Zeile „I could hear your song forever, you’re the sweetest, sweetest song“ mit einer sweeten Melodie verzaubert. Muss man auch erst mal hinbekommen.