Jeffrey Lewis & Los Bolts
Manhattan
Rough Trade/Beggars/Indigo VÖ: 30. Oktober 2015
Antifolk lebt, und wenn man genau hinhört, hört man den Punk heraus – vielleicht sogar allzu deutlich.
Beck, Adam Green, The Moldy Peaches, Regina Spektor, Ben Kweller, Herman Dune – es sind sehr unterschiedliche Namen, die dem Antifolk zugerechnet werden, diesem seltsamen Genre, das mit dilettantischer und vom Punk beseelter Wucht den Folk besetzt hat wie ein leerstehendes Haus.
Zu den längsten und wohl authentischsten Mietern zählt Jeffrey Lewis, der – anders als andere Vertreter der Bewegung – in der Lower Eastside aufgewachsen ist und noch heute als Einwohner des orginären Epizentrums der Bewegung gemeldet ist. Bei Daniel Johnston oder den Moldy Peaches stand er in der zweiten Reihe. Eine Erfahrung, die der passionierte Comiczeichner in „Support Tours“ mit ironischer Bissigkeit vertont hat: „If they make an offer to you what are you really gonna say?“ Warum er sein Dasein auch künftig nicht in der publikumstauglichen ersten Reihe fristen wird, lässt sich an MANHATTAN gut abhören.
Lewis kann zwar alles, vom berückenden Folkpop („Thunderstorm“) bis zum abgebrühten Sprechgesang eines Lou Reed („Back To Manhattan“) – er ist aber auch ein Fan. Seine Vorliebe für die britischen Anarchopunks von Crass zieht sich wie ein roter Faden auch durch dieses Album. Das mag gerade als Haltung ehrbar sein, klingt aber auch ein wenig angestaubt. Crass waren die Sex Pistols zu kommerziell, zurecht, und lösten sich 1984 nicht aus schlechten Gründen auf. Eine Wiedergeburt ihrer ruppigen Ästhetik aus dem Geist des Folk mag für ein sehr, sehr kleines Publikum aus Nachgeborenen eine große Freude sein – eine Mehrheit allerdings wird sich schon fragen, ob all die anderswo ausgeborgten Kratzer und Beulen und Schrammen dieser Musik denn wirklich gut tun.