James Carter – Gardenias for Lady Day

Fast wäre es ihm so gegangen wie vielen der so genannten „Young Lions“, die in den Neunzigern als viel versprechende Jazz-Newcomer hochgelobt wurden. Und von denen man heute fast nichts mehr hört. Die Kurve hat James Carter wohl auch deswegen rechtzeitig bekommen, weil er sich eine dreijährige Studio-Pause gegönnt hat, um seine Gedanken, Ideen zu sortieren. Und um sein Tenorsaxofon zu putzen. An dem hat er zwar schon immer einen gewaltigen Sound produziert, doch statt traditionspflegendem Mainstream von damals spuckt Carters Hörn jetzt Energien aus, die über die pure Ahnenpflege hinausgehen. Auch wenn gardenias for lady day ein gewellter Kniefall vor der legendären Jazz-Stimme Billie Holidays ist, mit gleich vier berühmten Songs von ihr. Doch wie Carter allein im tiefschwarzen Protest-Blues die Fetzen fliegen lässt, wie er mit heißlaufenden Improvisationen die Faust ballt, wird das zum offensiven Bekenntnis zu John Coltrane und Ornette Coleman. In den übrigen, nicht weniger prominenten Versionen aus dem Holiday-Dunstkreis steht zwar Carter hier und da zu seinen Wurzeln, wenn er von Don Byas‘ „Gloria“ bis hin zu Cab Calloways „Sunset“ den New-Orleans-Dialekt annimmt oder Funk-Rhythmen einstreut. Aber im ständigen Wechsel vom Tenor- zum Bariton- und Sopransaxofon beweist Carter, wie man das Gestern bis ins Hier und Jetzt ausdehnen kann. Nicht zuletzt Dank solcher Spitzenkräfte wie John Hicks am Klavier und Victor Lewis am Schlagzeug.