In Deutschland werden Reportagen zumeist gefeiert und preisgekrönt, wenn sie von schlimmen Schicksalen handeln und mit cooler Haltung das Gewissen aufrütteln. In „Pulphead“ sind Artikel gesammelt, die der amerikanische Journalist John Jeremiah Sullivan überwiegend für das Magazin „GQ“ geschrieben hat, sie handeln von Axl Rose oder von Ex-Kandidaten einer Reality-TV-Show. Aber Sullivan schreibt über diese Themen nicht boulevardesk oder oberflächlich, sondern voller Sachverstand, mit emotionaler Tiefe und – vor allem – mit einer grundlegenden Menschenfreundlichkeit. Die erlaubt es ihm auch, bei einem christlichen Rockfestival oder einer Tea-Party-Kampagne die Motivationen der Teilnehmenden zu verstehen – ohne sich dabei mit ihnen gemein zu machen. Sullivan findet seine Themen fernab der Medienhochburgen der USA, in den ländlichen Regionen des Mittleren Westens oder den Südstaaten, aus denen er auch stammt. Seine Sprache erzeugt Nähe, ohne allzu kumpelhaft zu werden, und verbirgt doch nicht, dass diese Geschichten ausführlich durchrecherchiert wurden. Und lustiger als der verbreitete Sozialreportagenkitsch lesen sie sich obendrein. Felix Bayer :: Kein Schlaf bis Langenselbold
von Linus Volkmann
Junge Menschen werden ein klein wenig älter: Linus Volkmann erzählt aus der hessischen Provinz der Frühneunziger.
Feldhockey. Ausgerechnet das eher uncoole Feldhockey hat Linus Volkmann, „Intro“-Redakteur und Herausgeber des schönen Fanzines „Schinken Omi“, den Protagonisten seines Romans „Kein Schlaf bis Langenselbold“ als sportliche Betätigung mitgegeben. Ansonsten ist bei den Oberstüflern Malte und Frederik Borchers, um die sich dieser Roman dreht, aber alles ganz sympathisch. Einen Sommer lang erleben die beiden eineiigen, aber trotzdem ungleichen Zwillinge die Dinge, die man eben so erlebt, wenn man jung ist: verschiedene, meistens klebrige Spielarten der Sexualität, Zigaretten, Bier und Apfelkorn, Jugendzimmeraction, Partys an der Tanke, die ausgebüchste Cousine im Schrebergarten, Böhse Onkelz vs. Linkssein, das ganze Programm. Volkmann hält sich dabei nicht übermäßig mit dem Abklopfen spießiger Realitätsvorstellungen auf, sondern peppt seine netten Volten mit ein paar sexuellen Tabubrüchen – Inzest als Idee! Oralverkehr mit Schutzbefohlenen in der Jungsumkleide! – auf. Er spendiert der ganzen Chose ein End, das so happy ist, dass man an die „Schneider“-Bücher aus der Jugend denken muss, mit denen sich „Kein Schlaf bis Langenselbold“ auch die Liebe zum farbenfrohen Coverartwork teilt. Jochen Overbeck
Musik ist Müll
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