Ihr seid ja immer nur dagegen! :: 33 Revolutions per Minute. A History of Protest Songs
von Dorian Lynskey
Mehr als 800 Seiten über die Geschichte des Protests in der Popmusik
Weil es im Pop angeblich keinen Protest mehr gibt, hat die „Spex“ gemeinsam mit dem Internet-Radiosender Byte FM zu einem Wettbewerb aufgerufen, den besten Protestsong zu schreiben. Wenn es doch mal welchen gibt, ist es auch nicht recht: Die „Süddeutsche Zeitung“ warf den Bands Ja, Panik, 206 und Kreisky vor, in ihren Texten nur plumpe, politische Wut zu äußern. Es ist also so eine Sache mit dem Protestsong – aber nicht erst seit heute. Phil Ochs, Songschreiber und Freund von Bob Dylan, bekam schon in den Sechzigern zu hören: Wir wollen unterhalten werden, keine Predigt hören. Diese ewige Anklage zitiert der englische Journalist Dorian Lynskey in dem Kompendium zum Thema mit dem schönen Titel „33 Revolutions per Minute“. Lynskey erforscht die Geschichte des Protestsongs in 33 grob chronologisch angeordneten Kapiteln, die jeweils einem Song gewidmet sind. Beginnend mit Billie Holidays „Strange Fruit“ von 1939 und endend mit Green Days „American Idiot“ von 2008. Unterwegs werden Protagonisten wie Woody Guthrie, The Clash oder Rage Against The Machine (Foto) betrachtet, aber es findet sich auch Überraschenderes wie „Two Tribes“ von Frankie Goes To Hollywood. Der Schwerpunkt liegt auf englischen und amerikanischen Titeln, doch auch Victor Jara (Chile), Fela Kuti (Nigeria) und Max Romeo (Jamaika) kommen vor. Was das über 800 Seiten dicke Buch, das bisher nur in Englisch erschienen ist, so überzeugend macht, ist, dass der Autor die Songs in den Kapiteln als Ausgang nimmt, um von Protestbewegungen und Zeitströmungen zu erzählen. Inklusive gelegentlichem Pathos und Anekdoten, die die hehren Ansprüche der Musiker sehr bodenständig wirken lassen. Ob es um Marvin Gayes sehr körperliche Gesangsvorbereitungen geht, oder Bob Geldofs sanfte Erpressung, mit der er Bono dazu brachte, gerade die Band-Aid-Zeile zu singen, die er doof fand. Lynskey weiß, dass Protestsongs sowohl Türen zu neuen Welten öffnen, aber ebenso die Peinlichkeit erreichen können: „Wie selbstgefällig die Zeile ‚I hope someday you’ll join us‘ ist, wird durch das unangemessene Video unterstrichen: Wenn man schon „Imagine no possessions“ singt, dann ist es keine gute Idee, das an einem Flügel in seinem palastartigen Haus zu tun“, schreibt er über Lennons „Imagine“. Auch Lynskey stimmt die aktuelle Protestsong-Lage nicht optimistisch. Anfangs habe er geglaubt, die Geschichte einer vitalen Kunstform aufzuschreiben. Dabei sollten die Beispiele im Buch und die aktuellen Zustände Inspiration genug sein, neue Protestsongs zu schreiben.
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