Hunger :: Pop Sex Ltd./Wichita/Coop/Universal

Massenverführungsmittel 2010: Kann jemand Pop mit mehr Soul buchstabieren als diese Style-Award-verdächtigen Sunderland-Boys?

Der Jubel, mit dem Frankie & The Heartstrings jetzt auf britischen Bühnen begrüßt werden, verdankt sich auch den wunderbar nebligen Sphären der Erinnerung. Es gibt Leute, die sich bei der Band aus dem nordenglischen Sunderland an Orange Juice, Kevin Rowlands Dexys Midnight Runners und Marc Almond gleichzeitig erinnert fühlen. Johnny Marr nicht zu vergessen, der auf dieser Platte seine legendäre Smiths-Gitarre spielen könnte. Es gibt britische Kollegen, die in der Musik von Frankie & The Heartstrings Jangle-Pop, Soul und Drama auf höchstem Niveau entdecken und große Songs feiern. Das vorweg: Jeder Jubel in dieser Angelegenheit ist nur berechtigt. Wir haben es hier mit einem Massenverführungsmittel zu tun. Jeder dieser Songs ist mit heißem Herzen geboren worden, jeder Song will auf der Stelle mitgeschmettert werden. Hunger gibt uns Leidenschaft von der ersten bis zur letzten Sekunde, mit dem bezirzenden Gitarrengeklingel der 80er und einer Zeile für das Poesiealbum des Britpop („I wrote a song with you in mind“ – „Ungrateful“), mit frisch frisierten Chören und gefährlich gut groovenden Bläsern („Hunger“), einem kreischenden, aufjaulenden Crooner („Tender“) und der Ekstase des Surf („It’s Obvious“). Frankie Francis behandelt diese Erinnerungen wie Souvenirs aus einer anderen Zeit, er jagt sie in den trüben Himmel über England und lässt sie über seine Songs fallen. Dort dürfen sie glänzen. Kann jemand gerade Pop mit mehr Soul buchstabieren als diese Style-Award-verdächtigen Working-Class-Boys, die so aussehen, als wären sie frisch aus ihren liebsten Kitchen-Sink-Dramas der 50er- und 60er-Jahre geschlüpft? Erst sollte die Band Pop Sex heißen, jetzt heißt das bandeigene Label so. Erst war „Fragile“ das Lieblingslied von Rough-Trade-Chef Geoff Travis (veröffentlicht Ende vergangenen Jahres als 7-Inch-Single), jetzt wird es wie ein Triumphmarsch durch die Venues der Welt getragen. Ist ein Klassiker 2010. Hat Geoff Travis nicht immer recht?