Hot Chip

Why Make Sense?

Domino/GoodToGo

Dezente Restaurationen im Sound auf dem sechsten Album der Londoner Electro-Popper. Hot Chip lassen die Genre-Nadel diesmal deutlich in Richtung Funk ausschlagen.

Ein Album mit so einer unverschämten Hit-Dichte wie THE WARNING gelingt einer Band auch nicht so oft im Laufe ihrer Schaffenszeit. Dieses zweite Album begründete vor auch schon neun Jahren den Status von Hot Chip als eine Konsensband, die die Anhänger jeden Lagers, jedes Tribes und Subtribes für sich vereinnahmen konnte. Musik zwischen allen Stühlen, zwischen Pop und House und Disco und Folk und Gospel und R’n’B. Die Indie-Crowd, die sich nach Melodien sehnte, konnte sich über einen Mangel an Pop bei Hot Chip nicht beklagen. Und die anderen durften sich über die zahllosen Referenzen auf die (elektronische) Tanzmusik freuen. THE WARNING war cleverer Zitatpop, der in der Ära LCD Soundsystem neue musikevolutionäre Möglichkeiten eröffnete. Musik für Nerds und Historiker, für Tänzer und Hedonisten, die sich aus den höchst unterschiedlichen musikalischen Sozialisationen und Vorlieben der beteiligten Musiker ergab.

Hot Chip waren damals die poppigst mögliche Variante dessen, was in den 90er-Jahren als „Indietronics“ bezeichnet wurde. Die drei Alben, die danach kamen – MADE IN THE DARK (2008), ONE LIFE STAND (2010) und IN OUR HEADS (2012) – machten die Londoner zwar immer bekannter, konnten allerdings trotz des einen oder anderen Überhits mit der Homogenität und Stringenz der Wundertüte THE WARNING nie ganz mithalten, sie froren eher den künstlerischen Gewinn des zweiten Albums ein, als Zinsen in Form von neuen musikalischen Erkenntnissen abzuwerfen.

Das ist jetzt anders. WHY MAKE SENSE?, das sechste Album von Hot Chip, kündet von einem sanften Richtungswechsel, der das Markenzeichen der Band, melancholische Tanzmusik, aber zu keiner Zeit infrage stellt. Die erste Single „Huarache Lights“ führt jedoch zunächst auf eine falsche Spur. Vocoder-Stimmen, ein Robotnik-Beat und dezente Störeffekte, die wie verunglückte Acid-Lines klingen? Das wirkt ein bisschen wie Kraftwerk, ist aber nur eine weitere Referenzerweisung aus der Zitatwelt der Band; aber alles ist gut, der Song wird zu einem klassischen Elektro-Popper von Hot Chip. Die restlichen neun Stücke des Albums werden mehrheitlich von einer federnden Funkyness bestimmt. Würde man etwa dem zweiten Song „Love Is The Future“ Alexis Taylors Gesang entziehen, der Track könnte auch ein Electro-Funk aus der Soundwerkstatt von Jimmy Edgar sein. „Started Right“ wird von funky Gitarrenlicks dominiert, dazu gibt es Philly-Streicher und Bläser; „Need You Now“ ist ein astreiner Old-School-Vocal-House-Track, wie aus der Frühzeit des Genres, als sich Funk und Disco in der „Paradise Garage“ in New York gerade zur neuen elektronischen Tanzmusik formierten. Die analogen (Bass)-Synthesizer werden im Soundbild von WHY MAKE SENSE? prominent herausgestellt.

Funk bei Hot Chip bedeutet aber nicht dieses maskuline, übersexualisierte Schweiß-und-Sperma-Ding, das dem Genre nicht selten einen unguten Beigeschmack verleiht, es ist eher eine Stimmung im Geist der Sanftheit von Hot Chip; eine Stimmung, die durch das Präfix Electro- im exakt richtigen Maß entemotionalisiert wird. Obwohl Alexis Taylors Stimme manchmal so klingt, als wäre er der kleine Bruder von Prince. Das Funk’n’R’n’B-Gefühl des Albums wird von Zeit zu Zeit in Frage gestellt von perkussiven Elementen und Soundtexturen, die immer ein bisschen neben der Spur liegen. Das kulminiert in der finalen Rock-not-Rock-Kakophonie „Why Make Sense?“.