Hippies von Miles

Das Leben könnte idyllisch sein. Man wohnt in kultivierter Umgebung, fährt gewohnheitsmäßig auf der linken Spur, und im Kühlschrank stapeln sich die Geschmacksverstärker. Allerdings nur, weil es woanders nicht mal Kühlschränke gibt und ebensowenig etwas zum Reintun, und das müssen einem diese Spielverderber von Umweltschützern, Globalisierungsgegnern und Fair-Trade-Aposteln auch immer wieder unter die Nase reiben. Wo kommen diese Typen eigentlich her? Die Antwort gibt Barry Miles: aus den 6oer Jahren. Salopp gesagt: Den hirnlosen Materialismus, die Prüderie und den Militarismus ihrer Eltern fanden die Hippies scheiße. Bombardierung von Orittbis Fünftweltländern und Trevira-Anzüge übrigens auch. Also musste alles anders werden. Wie, das zeigt und erzählt Beat-Generation-Biograph und „Hippie-Papst“ Miles detailfreudig und mit vielen bunten Bildern. Vordergründig mag es um bunte Klamotten, LSD-Räusche, das Recht auf wechselnde Sexualpartner und psychedelische Musik gegangen sein, doch das stand seinerzeit auch in der Bild-Zeitung und kratzt nur an der Oberfläche. Nein, der Jugend von gestern ging es vor allem um das, was in jeder besseren Verfassung steht, in der Realität jedoch gerne so interpretiert wird, wie es den Mächtigen gerade passt: Freiheit. Die Geschichte der Hippies als eskalierender Kampf gegen die Autoritäten, gegen bornierte Professoren, prügelnde Polizisten und konsumverblödete Eltern, gegen Einberufungsbescheide, verklemmte Moralapostel und eine Industrie, die zum Wohle der Profitmaximierung über Leichen geht, gegen einen Kultur- und Medienbetrieb, der manipuliert und vom Wesentlichen ablenkt. Dem Idealismus, dem Hunger nach Veränderung und der schieren [bisweilen auch naiven) Begeisterung jener Ära setzt Miles ein hübsches Denkmal, das Scheitern der Bewegung (vielleicht nicht so schön anzusehen, aber sicher sehr lehrreich] spielt nur am Rande eine Rolle. Obwohl der Begriff „Scheitern“ ohnehin nur die halbe Wahrheit trifft: LSD bei Schulspeisungen hat sich nicht durchgesetzt, auch konvertierte die westliche Welt nicht zum fernöstlichen Mystizismus, und Musiker mit langen Haaren machen heute meist konsumkompatiblen Heavy Metal. Allerdings werden sie dabei nicht mehr als „schwule Kommunistensäue“ beschimpft – das ist doch mal echter Fortschritt, zumindest was Höflichkeit und Pluralismus angeht. Und dann gibt es ja auch noch besagte Spielverderber, die bisweilen darauf hinweisen, dass Freiheit mehr bedeuten kann als die Wahl zwischen Pepsi und Coke und dass sich zwischen den Ohren kein Geldbeutel, sondern ein Hirn befindet. Hat sich also irgendwie doch gelohnt, das mit den Hippies.