Hippie-Himmel, Hippie-Hölle

Diverse Woodstock 40 Rhino/Warner

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The Woodstock Experience Sony Legacy (Wertungen siehe Text) Rock: Zum 40. Jahrestag wird der Hippie-Mythos von der Großen Mutter aller Festivals ein weiteres Mal befeuert: mit einem exquisiten Boxset sowie fü nf schmucken Doppel-CD-Sets.

„We are stardust, we are golden, and tae’ve got to get ourselves back to the garden“, dichtete Joni Mitchell, die es nicht bis zum Festival geschafft hatte, in einem Hotelzimmer und träumte von Bombern, „riding shotguns in the sky and tbey tumed into butterflies above our nation“. Dagegen erinnert sich Pete Townshend, wie er, „das arrogante englische Arschloch“, durch den Schlamm stapfte und am liebsten um sich geschlagen hätte. War Woodstock nun der Hippie-Himmel – oder die Hölle, der Abgesang auf „love and peace“? Klar ist: Es war das schiere Chaos – das Gelände ein wegen endloser Staus nur noch aus der Luft zu erreichendes Katastrophengebiet, die sanitären Verhältnisse jeder Beschreibung spottend, das Essen mies, die Drogen schlecht. Und die Musik? Großartig bisweilen, grottig oft genug, epochal nur selten. Klar aber auch: Nie war das, was sich da vor 400.000 Besuchern zwischen dem 15. und dem 18. August 1969 auf Max Yasgurs Acker bei Bethel im Bundesstaat New York zutrug, ausführlicher dokumentiert als auf der zum 40. Jahrestag veröffentlichten, üppig aufgemachten Sechs-CD-Box: rund 80 Tracks (38 unveröffentlicht, Laufzeit: knapp acht Stunden), chronologisch geordnet von Richie Havens‘ „Handsome Johnny“ bis zu Jimi Hendrix‚ finaler „Woodstock Improvisation“, dazu alle längst Folklore gewordenen Ansagen, Durchsagen und Hilferufe, der „Rain-Chant“, der Streit zwischen Townshend und Abbie Hoffman sowie ein 80-Seiten-Booklet mit den Setlists aller Auftritte, vielen Fotos, Linernotes etc. etc. Zu den bislang ungehörten Preziosen gehören eine 19-minütige, drogenbedingt ziemlich weggetretene „Dark Star“-Version der Grateful Dead, fünf Tunes von Countryjoe &The Fish, zwei von Tim Hardin, zwei von der Incredible String Band, einiges von The Who und Jefferson Airplane. Dazu gibt’s mal mehr, mal weniger Bekanntes von Joe Cocker bis CCR, von Crosby, Stills, Nash & Young bis Santana, von Joan Baez bis Canned Heat, von Sly & The Family Stone bis Mountain. Auf manches hätte man verzichten können, auf anderes – The Band, Keef Hartley – wartet man auch in dieser Edition vergebens, Alvin „I’m Goin‘ Home“ LeesTen Years After fehlen erstaunlicherweise völlig. Doch auch so verlangt dieser klanglich runderneuerte Mix aus Folk und Blues, Rock und Raga, aus Perlen und Pannen selbst abgebrühten Hörern einiges ab.

Für die schwächere Konstitution ist ein 21-Track-Doppel-CD-Extrakt 3,5 gedacht,fürPuristen werden zudem die Standardwerke von einst, WOODSTOCK: MUSIC FROM THE ORIGINAL SOUNDTRACK AND MORE (1970) 4 und WOODSTOCKTWO (1971) 3 ,mit l8 bzw. 16Tracks neu aufgelegt. Wer bereits jetzt den Überblick verloren hat – dabei haben wir noch nicht erwähnt, dass dem Mythos auch via üppigst aufbereiteter DVDs gehuldigt werden kann – oder wer lieber auf seine persönliche Favoriten setzt, für den könnte Sonys fünfteilige TUE WOODSTOCK EXPKRIKNCE-Reihe recht kommen. Das einigermaßen plausible Konzept: Man nehme den kompletten Woodstock-Gig einer Band/eines Künstlers, packe ein ungefähr zu jener Zeit, also um 1969/70 herum, erschienenes Studioalbum dazu, lege ein Poster bei und designe das Package hübsch hippiesk. Zu Ehren kommen in der Reihenfolge ihres damaligen Auftretens: Santanas mitreißend pluckernder Latinrock (gepaart mit dem Debüt SANTANA) 5 , Janisjoplins bebende Blues’n’Soul-Eskapaden (I GOT DEM 01. 1 KOZMIC BÜ’ES AGAIN MAMA!) 4 , Jefferson Airplanes fidel dudelndes Hippie-Happening (YOLUNTEERS) 4 , Johnny Winters mal lässiger, mal furioser Bluesrock (JOHNNYWINTER) 4,5 und Sly & The Family Stones brodelndes Soulfunkrock-Gebräu I.STAND!) 4,5 . Hat da wer „Overkill“ gesagt? Pah. „Everywhere there was song and celebration.“ Dichtete Joni.