HiHo von Michael „Bommi“ Baumann :: High sein, frei sein…

Es hat in heutigen Zeiten einen seltsamen Beigeschmack, Bommi Baumann als „Terrorist“ zu bezeichnen, aber wenn’s der in der DDR geborene gelernte Betonbauer, umherschweifende Haschrebell, Mitgründer der „Bewegung 2. Juni“, Bankräuber, Bombenbastler und Ex-Junkie selber tut, tun wir’s ihm nach. Vor allem aber ist Baumann, dessen Hang zu Spaß und Lebensfreude der puritanischen Fraktion der deutschen Stadtguerilla ein scharfer Dorn im Auge war („Das macht Spaß, das darf es nicht“, tadelte ihn Gudrun Ensslin), ein begnadeter Erzähler mit unverkennbar Berliner Schnauze, proletarischem Moralgewissen, weltoffen-unverschämter Neugier, einem hochsympathischen Hang zur Tresenaufschneiderei, trocken-lakonischem Witz und einem blinden Gespür für absurde Situationen. Seine 1975 erschienene, anfangs hysterisch verbotene Autobiografie wie alles anfing ist ein Klassiker; 1981 in London verhaftet, „schrieb“ er während der fünfjährigen Haft einen zweiten Teil, der nun – leicht verändert, wobei man sich fragen könnte, wieso das Vonnegut-Zitat im Titel von einer Binnenmajuskel entstellt werden musste – nach 21 Jahren endlich wieder aufgelegt wird. Es beginnt mit der Verhaftung von Baader und Raspe 1972: Da beschließen Baumann und „der Dicke“ unter eskalierendem Fahndungsdruck, Berlin zu verlassen und nach Afghanistan zu fahren zum Waffenkaufen, was sich erledigt, weil der Eintritt in eine total andere Welt den Erzähler gründlich umstülpt. Aus dem zornigen Rebellen (damals 25) wird ein gelassener, friedseliger Beobachter, der einsieht, dass er weder töten noch Menschen Leid zufügen will, ein ziel- und zwecklos Reisender, der sich durch die Welt treiben lässt und Dinge erlebt, die andere nur aus Märchenbüchern kennen. Nach zehn Jahren Flucht und illegalem Leben unter religiös Entrückten, Drogenhändlern, Junkies, Filmleuten, Waffenschiebern, Bettlern, Punks und Bauern, in Lehmhütten, Palästen, Opiumhöhlen, besetzten Häusern, auf verschlungenen Pfaden zwischen Ost, West und Nirgendwo, klopft doch noch die Staatsgewalt an die Tür, Baumann gewährt freundlich Einlass, lässt sich widerstandslos festnehmen und resümiert: „Ich sehe ja so was anders, ich rege mich dann gar nicht auf. Ich hob ja zehn Jahre ein schönes Leben gehabt, ein vollkommen erfülltes Dasein, besser hätte ich es nicht treffen können. Wenn sie mich nun halt verhaftet haben, na gut, hab ich Pech gehabt, aber ich hab ja die ganzen Jahre davor Glück gehabt.“ Ein Buch, das grundsätzlich jeder lesen sollte, der sich zum deutschen Terrorismus äußern möchte – insbesondere die Scharfmacher und Unversöhnlichen von der ehemals gegnerischen und eigenen Seite.

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