Heile, heile von Kirsten Fuchs

Das deutsche Feuilleton, das derzeit kaum Besseres zu tun weiß, als Charlotte Roches Arschfistelbüchlein einer Analyse und generationsdefinierenden Deutung nach der anderen zu unterziehen, geht mit Kirsten Fuchs weniger hoheitsrespektlich um; Das sei überhaupt kein Roman, wirft man ihrem Roman vor, und Literatur sei eigentlich auch was anderes, weil bla bla. Gemeint ist: Fuchs, die Erfahrung und großen Erfolg als Lesebühnenautorin hat und mit unverzogenem Strichmund und kaum einer Regung ganze Säle zum Rasen und Toben bringen kann, wirkt einfach ein bisschen zu schlau, zu hintertrieben, kann mit der Sprache zu gut umgehen und pfeffert Wortspiele mit derartiger Treffsicherheit in die Gegend, dass man ihr eine seriös-literarisch ehrliche „Auseinandersetzung“ mit den existenziellen Themen ihres (doch!) Romans (Rebekka ist verlassen worden und leidet. Johanna ist haltlos und hat sich selbst verloren, Jette stirbt an Krebs usw.) nicht abnimmt. Das ist großer Unfug. Wortspiele hin, Kalauer her- dieses Buch mag seine Schwächen haben, was den Gesamtaufbau angeht, aber es ist nicht nur an der Oberfläche großartig geschrieben, witzig und einfühlsam, sondern es meistert den Zaubertrick, mit Knappheit und Schärfe Tiefen zu öffnen, die im scheinbar Banalen lauern und deutungswütigen Feuilletonisten möglicherweise verschlossen bleiben. Man nannte das mal Lakonie, bezieht diesen Begriff aber heute lieber auf schnöselige „Liebling“-Prosa bleicher Huschmädels und solches Zeug. Wahrscheinlich ist Kirsten Fuchs den Empfindsamkeitlern des momentanen Literaturgeschmacks einfach ein bisschen zu stark, zu frech und zu schlau und trotzdem nicht zynisch genug, eine Masche zu reiten, ohne mehr mitteilen zu wollen als „Ich!“-spricht alles für sie, und wem das nicht genug ist, der hat sich hinterher wenigstens reuelos amüsiert.

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