Hans Söllner – Im Regen

Mit seinen letzten Alben hatte der Sänger aus Bad Reichenhall die Protest-Rhetorik weitgehend hinter sich gelassen, kreiste sein Blick statt dessen um die ersten und letzten Dinge, um Geburt, Tod und das bißchen Widerstand dazwischen. Hans Söllner ist erwachsen geworden: Auch auf der neuen Live-Aufnahme mischt sich eine gereifte Spiritualität in die alten Marihuana- und Rebellen-Themen. Messias wollte er nie sein. Das Leben im Widerstand predigen schon. Söllners Authentizität als Kämpfer, seine Prozesse gegen Beckstein & Co. sind der Hintergrund, vor dem er sich hier in zwei dutzend Songs eben auch als zärtlicher Liebhaber, schamanistischer Lebenskünstler und spiritueller Sucher zeigt. IM REGEN: Aufgenommen bei einem Open Air in der Saline Bad Reichhall. Begleitet von einer gut geölten Soul-Folk-Reggae-Band sowie jeder Menge Naß. Es schüttet, und der himmlische Wassersturz verstärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl eines enthusiastischen Publikums, stellt den Rasta aus Bad Reichenhall in eine Kulisse, die offensichtlich seinem Lebensgefühl nur allzu gut entspricht. Vielleicht hätte manch andere Band so ein Konzert als Katastrophe erlebt. Hans Söllner aber läuft angesichts des widrigen Wetters erst zu Höchstform auf: Ist es die Ungekünsteltheit seines Vortrags, der alttestamentarische Sog seiner Geschichten, die zärtlich-brutale Wortwahl, die selbst dem kritischen Zuhörer hin und wieder eine sanfte Gänsehaut verursacht? Der provokante Prediger-Habitus des Sängers? Oder gar Söllners Mut zur Banalität, sein Drang, immer wieder naiv-frech ein Menschenbild zu postulieren, das dem derzynischen Intellektuellen geradewegs entgegenläuft? Die Songauswahl konzentriert sich zum Glück auf den neuen Söllner. Ein paar Underground-Klassiker wie „Boarischa Krautmo sind natürlich mit von der Partie. Aber dann erinnern Soul-Schlager wie „Loben & Preisen“ eher an einen Gospelgottesdienst denn an das Kleinkunstbühnen-Geschrammel, mit dem Hans Söllner einst reüssierte. Und wenn der Sänger auch den sensiblen Ton von „Dad i liang“ oder „Frühling nicht auf voller Länge durchhält: Was wäre ein Söllner-Konzert, auf dem die Gemeinde nicht „A Drecksau is a Drecksau“ mitsingen, mitschreien und mitfeiern dürfte? Wer einen solchen Refrain übrigens für eine unüberlegte Grobheit hält, der sollte sich von dem mitgelieferten Interview unbedingt eines Besseren belehren lassen.

www.soellner-hans.de