Hanoi Janes :: Year Of Panic

Captured Tracks – US-Import

Deutsche Rock’n’Roll-Dreckschleuder, die erst von den Amerikanern entdeckt werden musste.

Jane Fonda lächelnd auf einem Flugabwehrgeschütz des Vietcong. Das war natürlich nicht okay für die Amerikaner. Als „Hanoi Jane“ wurde die Schauspielerin Teil der Anti-Vietnamkriegsfolklore, die lange schon von den Psychosen überlagert wird, die die alten Recken mit in die saubere Heimat trugen. Wenn wir jetzt Hanoi Janes thematisieren, bleiben wir bei einer kulturellen Verwirrung erster Güte. Sachse veröffentlicht bei einem amerikanischen Label eine Art Phil Spector For Runaways. Und keiner hat’s gemerkt in Deutschland. Den Hanoi Janes konnte man auch in Form einer CD in den Auslagen des Rough-Trade-Shops an der Trendmeile Brick Lane in London begegnen. So, als wollten die Engländer den Amerikanern erzählen: Hey, Motown und Memphis sind jetzt in Dresden, und wir wissen’s als Erste. Ganz trifft das die Sache nicht. Was Oliver Scharf auf seinem Debüt im Beinahe-Alleingang produziert, ist eine Rock’n’Roll-Dreckschleuder, die mit den Phantasien spielt, die nicht nur alte Männer beim Thema „Wall Of Sound“ und „Doowahdiddy“ entwickeln. Phil Spector würde türmen, könnte er diese Sammlung von taumelnden Hits und holpernden Hooks hören, weil sie ein bisschen vom Mythos des Wall Of Sound rauben. Scharfs Gesang ist ein Bellen im großen instrumentalen Shoobidoo, das über dem Geschepper der Gitarren Kurven fährt und am Ende in der kakophonen Schönheit versiegt. Scharf macht kaputt, was ihn kaputt macht, in seinen wabernden Rock’n’Roll-Songs fährt er ferne Echos der Strokes, der Beach Boys und der Shangri-Las spazieren, aber manchmal auch vor die Wand. YEAR OF PANIC ist das Album aus der Krachmacherstraße geworden, das wir Deutsche einem Deutschen schon nicht mehr zugetraut hatten, spannender als Distelmeyer, Delay und deren Klone zusammen.

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