Halsey
Manic
Capitol/Universal (VÖ: 17.1.)
Man kann Halsey nicht genug dafür danken, dass sie als bisexuelle Woman of Color ein Role Model für viele ist. Ihr Young-Adult-Pop stammt diesmal aber aus dem 08/15-Trickkasten, schade.
Ashley Nicolette Frangipane, 25, alias Halsey gehört unter den jungen Pop-Sängerinnen Mitte 20 zur Spitzenklasse und kann mitunter gar mit der von David Bowie geadelten Lorde konkurrieren. Ein Highlight ihres 2017er Albums war der Song „Bad At Love“, ein Horror-Kaleidoskop ihrer Ex-Beziehungen: Dort war ihr Boy in Strophe 1, der nach Whiskey schmeckt, sie eine Bitch nennt und sowieso bekloppte Freunde hat, genauso ein Problem wie ihr Boy in Strophe 2, der sie am liebsten hinterm Herd sieht, wie ihr Girl in Strophe 3, das Lines aus Kokain schnieft.
AmazonNebenbei ein super Pop-Statement gegen Bi-Erasure, also das Unsichtbarmachen bisexueller Menschen, die meist ausschließlich als homo oder noch öfter als hetero gelesen werden. Bei Akustik-Sessions stellt sie zudem unter Beweis, wie ungewöhnlich ihre Phrasierungen sein können. Das hat was von charaktervollem, unfiltriertem Öl.
Dennoch folgen Halseys Harmonien nun auf dem dritten Album oft den immer ganz schnell wieder aufgelösten Mikrospannungsbögen und absolut vorherhörbaren Akkordfolgen, für Menschen mit minimaler Aufmerksamkeitsspanne, wie sie im 08/15-Trickkasten für Teenager-Pop stehen. Sicherheitshalber hat man das Ganze noch mit etwas Billie-Eilish-haftem Minimal-Elektro-Pop-Klangappeal gepimpt; da kann nichts schiefgehen, die finden ja gerade alle toll.
Andere klanglich nachzuahmen, wird Halseys lyrischem Einfallsreichtum und ihrer Stimme nicht gerecht. Dieses Album ist für Halsey kein Schritt voran, sondern zwei zurück. Dass sie es besser kann, beweist der stürmende, drängende Drive in „3am“, der einen aus jeder Nachttrunkenheit wachrüttelt. Aber sogar der passt astrein ins Konsensradio.