Gus Dapperton
Where Polly People Go To Read
Awal/Rough Trade (VÖ: 19.4.)
Pop als Wundertüte, fein arrangiert von einem Internet-Phänomen.
Haare mattgrün und als Bowlcup geschnitten, übergroße Brille als Accessoire, auffällige Schmuckstücke, verwaschenes Make-up: Gus Dapperton sah einige Monate lang so aus, wie man sich auf Instagram Pop vorstellt. Weil der Internet-Individualist aus dem Staat New York außerdem ein paar ganz hervorragende Songs aufgenommen hatte, zogen die Clips auf YouTube die Massen an, mehr als sechs Millionen Aufrufe verzeichnet das Stück „Prune, You Talk Funny“, im zugehörigen Video wird Dapperton von einem Redneck dabei erwischt, wie er mit dessen Tochter rummacht, in der ersten Sequenz flüchtet er vor dem Dad, nur in Unterhosen, die Gitarre vorm Bauch.
Amazon„Inspired by true events“, steht da. Herrlich. Interessant ist, dass Dapperton zwei Jahre nach seinem Internetdurchbruch nun den konventionellen Weg geht: Ein Album bei einer Plattenfirma, zehn Lieder, dazu Promo-Bilder ohne Brille und mit kurz rasiertem Haar: Vielleicht reichten ihm die zwei Jahre im Instagram-Kosmos, vielleicht genügen die virtuellen Feedbackschleifen dort nicht, wenn man es wirklich ernst meint mit der Musik.
WHERE POLLY PEOPLE GO TO READ ist eine astreine Genrevermischungsplatte: 60s-Bubblegum, 70s-Softrock, 80s-Dreampop, 90s-Boybands und der souldurchflutete Neo-R’n’B des aktuellen Jahrzehnts. Zusammengehalten wird die bunte Tüte von Gus Dappertons feinem Gesang, von seinem Humor und seinem Songwriting, das vor allem Leuten gefällt, denen Ariel Pink zu nerdig und Mac DeMarco zu bequem geworden ist.