Reissue

Guns N’ Roses

Appetite For Destruction – Locked N’ Loaded/Super Deluxe Edition

Geffen/Universal

Gewaltige Ausgabe eines der gewaltigsten Hardrock-Alben, mit dem Axl Rose zum letzten überlebensgroßen Rockstar aufstieg.

Keine andere Band zelebriert die Verspätung so sehr wie Guns N’ Roses. Legendär ist die eigennützige Auslegung des Begriffs „Pünktlichkeit“ von W. Axl Rose – im Kern seines Wesens eigentlich ein strebsamer Perfektionist –, undurchschaubar der viel zu lange hinausgezögerte Termin ihres ohnehin schleierhaften Comebacks. Warum stieg Slash überhaupt 1996 aus und 19 Jahre später wieder ein? Wo ist Izzy Stradlin im Reunion-Line-up oder zumindest Gilby Clarke, wo ist Steven Adler oder zumindest Matt Sorum? So wirkt es fast wie ein Kunstgriff , dass die Gunners ihr Debütalbum nicht zu dessen rundem Jubiläum im Vorjahr, sondern erst jetzt, zum 31. Geburtstag, wiederveröffentlichen. Dafür mit einer Fülle an Bonusmaterial, die einen so schwindlig werden lässt wie die Vorstellung 30 Millionen verkaufter Exemplare von APPETITE.

Welcome To The Jungle: Die 5 besten neuen alten Songs von Guns N' Roses
In fünf Fassungen erscheint die Platte neu, von der einfachen, erstmalig remasterten CD bis hin zur luxuriösen „Locked N’ Loaded“-Box. Widmen wir uns kurz dieser, entspricht sie dem Größenwahn der Band doch am besten. In einem zweieinhalbminütigen „Unboxing“-Video preist die Plattenfirma diese mit Kunstleder ummantelte Holzkiste an: Die pure Auflistung ihres Inhalts füllt die Spielzeit des Clips. Wer eines dieser Sets ergattern kann, der kann sich seine Wohnung künftig mit Firlefanz wie Sammlermünzen, Totenschädelringen, Buttons sowie einem Microfaser-Reinigungstuch für Vinyl und zwölf Illustrationen für die einzelnen Songs vollstellen.

Feel his serpentine

Das alles und noch viel mehr gibt’s für stolze 1 000 Euro – oder eher gibt’s nicht, wenn man nicht zu den ersten 10 000 Bestellern gehört. Auf diese Zahl ist die Box limitiert. If you got the money, honey, we got your disease. Dem Rest sei die für etwa 170 Euro erhältliche und in puncto Tand abgespeckte „Super Deluxe Edition“ empfohlen. Zwar hat’s auch hier das Replika des von Slash handgeschrieben Einladungsflyers für den „Welcome To The Jungle“-Videodreh, Abziehtattoos, ein Buch und eine Blu-ray. Den Kern aber stellen die auf vier CDs verteilten 73 Songs dar, 49 davon bisher unveröffentlicht.

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Neben all den B-Seiten und Aufnahmen aus den legendären Sound City Studios finden sich hier auch fast alle Songs des 1988 als zweites Album vermarkteten GN’R LIES. Mit dieser Platte lässt sich die Power dieser Band Ende der 80er-Jahre noch besser als mit ihrem Vorgänger beschreiben: Das als „authentisch“ wahrgenommene, vom Punk gespeiste APPETITE fegte den Hair-Metal mit derselben Wucht weg, mit der die vom Punk gespeisten Nirvana fünf Jahre später die Gunners zu Witz guren degradieren sollten. Dank drei der mächtigsten Songs des Genres („Welcome To The Jungle“, die Hymne, für die Stadien gebaut wurden, „Paradise City“ und „Sweet Child O’ Mine“, dessen Nr.-1-Erfolg das dazugehörige Album ein Jahr nach Erscheinen erstmals auf Platz 1 mit hochzog) lässt sich gut erklären, wieso APPETITE zur meistverkauften Debüt-LP der US-Geschichte wurde. Doch selbst das nur acht Songs umfassende LIES fand zehn Millionen Käufer.

Große Kunst und großer Schrott lagen bei GN’R immer nah beisammen

Zusammengeflickt aus dem als Live-EP bezeichneten „Live ?!*@ Like A Suicide“, obwohl hier lediglich unter die zwei Covers und zwei selbst geschriebenen Songs Gejubel vom 1970er-Festival „Texxas Jam“ gelegt wurde und vier neuen Wandergitarren- Songs – darunter eine Akustikfassung des bekannten „You’re Crazy“ –, konnte dies nur in einer Welt zum Bestseller werden, die der Band aus der Hand fraß. „One In A Million“, für dessen diskriminierende Zeilen sich bereits auf dem von Lennons SOME TIME IN NEW YORK CITY beeinflussten Titelbild von LIES entschuldigt wurde, fehlt als einziges Stück auf der neuen APPETITE. Geschichtsfälschung, aber in politisch korrekten Zeiten ist kein Platz mehr für diesen Ausfall. Was man nicht unter den Teppich gekehrt hat, ist das Ur-Artwork des Albums: Robert Williams’ titel- gebendes Gemälde, auf dem ein Maschinenmonster im Begriff ist, eine von einem Roboter vergewaltigte Frau zu rächen. Das liegt hier sogar als Art-Print bei. Große Kunst und großer Schrott lagen bei GN’R immer so nah beisammen wie das Genie und der Wahnsinn im Kopf von Axl Rose. Die Frage „Where do we go now?“ aus „Sweet Child …“ dürfte dort bis heute kreisen.

Hört Guns N’ Roses‘ „Appetite For Destruction – Locked N’ Loaded/Super Deluxe Edition“ hier im Stream:

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