Grizzly Bear :: Yellow House Warp/Rough Trade

Willkommen in der Nomenklatura der großen Pop-Geister: Die Band aus New York entdeckt sich in Fülle, Verschwendung und wilden, wilden Wegen.

Kastagnetten, Maracas und alles, was man schütteln kann, hat Edward Droste von seiner Mutter, einer Grundschullehrerin, zur Verfügung gestellt bekommen. Was sich eben so ergibt, wenn man bei Mama zu Hause im Wohnzimmer aufnimmt, in diesem Fall irgendwo im Naherholungsgebiet von Boston, USA. Es gibt noch eine weitere Familiengeschichte zum zweiten Album von Grizzly Bear. Der Song „Maria“ stammt von Drostes Tante aus den 1930ern, er klingt jetzt im semisinfonischen Grizzlv-Bear-Sound von 2006 wieder auf. Das Debüt HORN OF PLENTY, das Droste noch im Duo mit Christopher Bear aufnahm, war ein stilles, um Gesang und Akustik-Gitarre zirkulierendes Album, bald folgten Remixe (Final Fantasy, Ariel Pink, Safety Scissors, Soft Pink Truth, Castanets, Efterklang, Dntel), die etwas vom Sound-Reichtum andeuteten, der Grizzly Bear zur Verfügung stehen sollte. Im Quartett (mit Chris Taylor und Daniel Rossen/Department Of Eagles) haben Grizzly Bear sich komplett neu entdeckt. YELLOW HOUSE wird als Geniestreich in die Geschichte popkultureller Heimarbeiten eingehen – eine Pop-Oper im wärmedämmenden Mehrschichtverfahren. Die Streicherhaben sie einer Sammlung rührseliger Filmmusiken entnommen, polyphoni sehe Sonntagssänger malen Melodien allüberall, Flöte und Gitarre werden fein elektronisch abgepolstert, und ein Banjo steuert dezente rustikale Texturen bei. Die Pop-Opern von Grizzly Bear verlangen die komplette Aufmerksamkeit des Hörers, laufen sie nur so nebenher, bleibt ein Eindruck von Fülle und Verschwendung, ohne, dass man eine Ahnung von den wilden, wilden Wegen dieser Lieder bekäme, mit ihren Haupt- und Nebenopern, mit kleinen Disney-Spots und Feel-Free-Passagen für Piano oder Schlagzeug. Lange keine so leichte feierliche Musik mehr gehört. Und kaum ausrechenbar, Strophe und Refrain existieren zwar in den Beiträgen von Grizzly Bear – Droste. Bear, Taylor und Rossen zerren aber an den Rändern ihrer Songs, schieben ein, machen fein. Willkommen in der Nomenklatura der großen Pop-Geister: Das YELLOW HOUSE ist nah am frühen Van Dyke Parks gebaut, von gegenüber grüßt mit dem letzten Leuchten in den Augen Brian Wilson. Und mit einem zerrissenen Kanon auf den Lippen ziehen Animal Collective an den herrschaftlichen Fenstern vorbei. Jetzt werden nur noch Lieblingslieder gesucht: Heute muss ich andauernd „Knife“ spielen. Hat jemand in den letzten zehn Jahren ein wundersameres Psychedelic-Pop -Stück gehört? VÖ: 8.9.

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