Album der Woche

Godspeed You! Black Emperor

G_d’S Pee at State’S End!

Constellation/Cargo (VÖ. 2.4.)

Jetzt auf einmal also: Eine US-Präsidentschaft von Donald Trump und eine Dreiviertel Pandemie hindurch haben Godspeed You! Black Emperor geschwiegen – und das bei einer Gruppe, die früher jede israelische Luftabwehrrakete mit einem empörten Anti-Imp Zwanzigminüter kommentierte. Im Oktober 2020 fand das Kollektiv wieder zusammen, um am Fuß der zweiten Welle G_D’S PEE AT STATE’S END! aufzunehmen, ein Album voller Forderungen: Schluss mit Gefängnissen, der Macht der Polizei und imperialistischen Kriegen. Und besteuert endlich die Reichen, bis sie arm sind. Da scheint es, als drehte sich alles im Kreis und dann blickt man aus dem Fenster und sieht die Tristesse und denkt unwillkürlich: Stimmt ja aber auch noch immer, ist real, heute, wichtig.

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Musikalisch ist das, was Godspeed You! Black Emperor inzwischen anbieten, natürlich nicht mehr so unerhört wie die ersten Alben um die Jahrtausendwende, Werke wie LIFT YOUR. SKINNY FISTS LIKE ANTENNAS TO HEAVEN lieferten damals Crescendos, die die Welt physisch aus den Angeln zu heben imstande schienen, und wiesen gleichzeitig einen Ausweg aus dem Dilemma, dass Punk über die Jahre seine Sprengkraft verloren hatte. Hier zeigte er sich plötzlich als intensive, dichte Kammermusik, politisch und anarchisch. Es ist auch nicht von der Durchschlagkraft, die das Comeback ALLELUJAH! DON’T BEND! ASCEND! nach einem Jahrzehnt Pause 2012 entfaltete. Seitdem veröffentlichten die Kanadier wieder regelmäßiger, die Alben verloren bei aller Meisterschaft den Hauch von Ereignis.

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Es liegt also möglicherweise nicht einmal an der Band selbst, dass G_D’S PEE AT STATE’S END! heute wieder mitreißt, außer insofern, dass auch das Kollektiv aus einem guten Dutzend Musiker*innen in Zeiten lebt, die Endzeiten scheinen: Nicht die Musik hat sich gewandelt, aber das Ohr, der Lebensrhythmus, auf den sie trifft. G_D’S PEE AT STATE’S END!, das aus zwei längeren, mehrteiligen Suiten und zwei kurzen Entfaltungen besteht, ist sinfonisch, repetitiv, dennoch melodisch, bisweilen überwältigend schön, dennoch rau und angepisst. Es ist ein Album, wie alle Alben der Gruppe, das letztlich in der Wut von Hoffnung erzählt. Eben ein Album, wie es im Manifest steht, das die Band einem mitgibt, „about all of us“.

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