Girlpool
What Chaos Is Imaginary
Anti/Indigo (VÖ: 1.2.)
Ein traurigschönes Tumultalbum: In der nicht ganz so heilen 90s-Rock-Welt des Duos hat sich einiges geändert.
Girlpool sind keine Girlband. So mädchenhaft und drollig, wie (überwiegend männliche) Kritiker das Duo aus Los Angeles einst fanden, waren Cleo Tucker und Harmony Tividad zwar ohnehin nie, aber nun hat sich im Leben der beiden Entscheidendes geändert: Vor knapp zwei Jahren erklärte Tucker, transgender zu sein.
Schon im Opener „Lucy’s“, für Tucker die erste Single seit Beginn der geschlechtsangleichenden Hormontherapie, wird sofort klar, welche neue Dynamik diese Transition in den Sound der Band bringt: Tucker singt nun eine Oktave tiefer als Tividad, was für Girlpool die endgültige Abkehr vom süßen bis schrägen Harmoniegesang ihrer Anfangstage bedeutet. Wie auch das letzte Album POWERPLANT aus dem Jahr 2017 setzt WHAT CHAOS IS IMAGINARY auf 90s-Gitarrenmusik zwischen fuzzigem Grunge, Anti-Folk und College-Rock für die Lichtscheuen, öffnet sich aber auch ganz neuen Einflüssen; im ausschweifenden Titelstück, in dem Tividad ihre psychischen Probleme der jüngsten Vergangenheit verarbeitet, verdichten sich Streicher zum orchestralen Finale.
AmazonDer bewegendste Moment aber ist das traurigschöne Powerpopstück „Hire“: Hier strahlt Tuckers im Wandel begriffene Stimme in all ihrer Rauheit und Verletzlichkeit, klingt manchmal, als könne sie jeden Moment brechen. Und doch ganz stark.