Get Well Soon – Rest now, weary head! You will get well soon :: Die Platte des Monats

Es grenzt an Publikumsmissachtung, dass diese Platte erst jetzt zum Beginn des neuen Jahres erscheint. Plötzlich kriechen die Kollegen aus den Löchern, die mir erzählen, dass sie diese Get-Well-Soon-Songs schon seit Monaten auf dem Schirm haben, des Künstlers Bandwerdung auf der Bühne bereits bestaunten oder die vorab veröffentlichten EPs auf heavy rotation in der Heimdisco fahren. Erschienen ist das Debüt von Get Well Soon nun endlich beim guten Berliner City-Slang-Label, und wäre etwa der Schriftzug von Asthmatic Kitty, von Saddle Creek oder Rough Trade auf dem Cover zu lesen, fänden wir das genauso passend. Hauptsache, diese Musik hat endlich so etwas wie eine Heimat gefunden und erreicht nicht nur die 984 Myspace-Freunde des Musikers Konstantin Gropper – von Maike Rosa Vogel bis Coco Rosie.

Denn diese Musik hat Großes mit ihrem Urheber vor. Konstantin Gropper, der junge Mann mit der doppelten Dirk von-Lowtzow-Frisur, Oberschwabe, Wahlberliner, Sohn eines Musiklehrers, Cellokind, klassisch trainierter Gitarrist, mit Wagner statt mit Ween groß geworden, könnte bald eine Superknabengeschichte von der Art lostreten, die übermorgen der „Stern“ drucken muss. Weil sie von einem jungen Deutschen erzählt, der ein bisschen für diese Generation vordenkt und singt, für die Kinder von Nirvana, die den Sommer von ’68 und den Herbst von ’77 aus Zeitungen wie dem „Stern“ kennen und sich mehr und mehr fragen, in was für einem Land sie da eigentlich leben. Nein nein, man möchte diesen Konstantin Gropper festhalten und sich ihn lieber als kleinen Geek vorstellen, der mit 17 das Gesamtwerk von Van Dyke Parks aufgesaugt hat, sich in der Trübsal Leonard Cohens und in den brüchigen Liedern von Will Oldham wohlfühlt und dann eben seine Platte wie ein Werk der klassischen Musik anlegt, mit Präludium (vorneweg) und Coda (hintendran). Konstantin Gropper ist inzwischen 25 und hat sein Debütalbum Rest now, weary head! fast im Alleingang komponiert, konzipiert, als Alleinunterhaltungsorchester mit familiärer Anbindung auf genommen (die Schwester spielt die Geige, der Cousin die Trompete).

„Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon“, das sind auch die ersten Zeilen im ersten Track, Groppers Stimme liegt leicht hinten im Delay, die Keyboards schwimmen ein Stück weiter vorne, dann kratzt der Sänger doch noch die Kurve zu einem pastoralen Stück Indie-Unvergesslichkeit. Meist aber hängt Gropper irgendwo unter den weiten Brückenbögen seiner Songs, er taucht dann in die Streicher- und Glockenspielarrangements und tritt wie ein junger Jesus der verlorenen Seelen wieder hervor, einer, der vom Traum, vom Leben und vom Töten erzählen kann, oder von der Wahrheit, die auch nur eine weitere Ware ist. Manchmal möchte man in den Chor der Gläubigen wie in einem Gottesdienst einstimmen („Christmas In Adventure Parks“) oder aufstehen und einfach zur Melodie tanzen (huch, war das jetzt „Born Slippy“ von Underworld?). Sich immer weiter drehen, wenn die Keyboards in Gehörgängen rühren und Gropper so überirdisch leiert, dahinter: ein Festzug der Geigen, Pauken und Trompeten.

Perspektivwechsel: Jugend forscht, die Phil-Spector-KIasse legt ihre besten Ergebnisse vor. Diese Platte mag mit Zitaten und Sound-Referenzen angereichert sein, sie will dennoch kein Sammelalbum sein, das nur wieder den Großen und Sonoren huldigt. Wenn Gropper in seinem von Sonic-Youth-Gitarren angedröhnten Wall-Of-Sound-Universum zu flanieren beginnt, passiert etwas Wundervolles: Aus den wehmütigen Ton- und Wortreihen wuchern die Melodien der Zuversicht, aus den „No Future“und „Goodbye“-Zeilen werden Sing- und Klatschspiele der Nächstenliebe. Get well, Schwermut! Zwei, drei Mal muss man an diesen aufbrausenden, sehnsüchtelnden Balkan-Sound aus unseren Brass-Band-Fantasien denken. Der Pop-Akademie-Absolvent Gropper hat, ähnlich dem balkanophilen Amerikaner Zach Condon (Beirut), seine musikalische Erweckung auf einer Europareise gehabt. Er lebte und spielte in England, Irland und Frankreich. Man hat ihn schon nach Glastonbury geholt, bevor er jetzt zum Indie-König von Deutschland ausgerufen wird. Sein Album weist weit über Spielpraxis und Erfahrungswelt der diversen deutschen Pop-Schulen hinaus, ohne sich über diese zu erheben. Vieles auf diesem Album klingt wie eine große, gemeinsame Bewegung, das Leben der anderen soll auch seins (und meins) sein; „Zusammenhaltlieder“ sagt der Sänger und Autor dazu, aber auch: „Musik, die von der Norm abweicht“. Es ist Musik, die dein Leben klangvoller macht, nicht nur für die überbordend schönen 60 Minuten dieser CD. VÖ 4.1.