George Harrison – The Dark Horse Years 1976-1992
Anlässlich seines zweiten Todestages schaltete Capitol im vergangenen Dezember im amerikanischen Fachmagazin Billboard eine ganzseitige Anzeige mit einem Porträtfoto des jungen George Harrison und der Widmung: „George, we miss you – eine noble Geste an einen Menschen und Künstler. Harrison war es als Einzigem der Fab Four in der Post-Beatles-Phase gelungen mit dem Triple-Album all things must pass – sowohl künstlerisch als auch kommerziell an die Erfolge der Beatles anzuknüpfen. Wiederum als Einziger forcierte der geschäftstüchtige George Mitte der siebziger Jahre die Gründung eines eigenen Labels, benannt nach seinem ’74er Soloalbum dark horse. Bis 1992 erschienen auf „Dark Horse‘ sechs stilistisch und qualitativ unterschiedliche Werke, die mittlerweile alle aus dem Katalog gestrichen wurden und mit dem Stigma sämtlicher Beatles-Soloarbeiten zu kämpfen haben: Mediokrität. Nun werden diese Alben als Einzel-CDs mit Bonustracks in digital optimierter Klangqualität neu aufgelegt. Zusätzlich erscheint die BOX THE DARKHORSE YEARS 1976-1992, die alle Alben plus eine Bonus-DVD enthält.
Der Auftakt der sechsteiligen Retrospektive erfolgt mit dem wohl poppigsten Album in Harrisons Solo-CEuvre, thirtythree 8, a third 3 (19761, das einen rundum veränderten Künstler präsentiert. Frisch verliebt in die damalige Sekretärin seiner Plattenfirma und spätere Ehefrau, Olivia Arias. vermittelt Harrison eine durchweg positive Weltsicht. Mit Gary Wright, Billy Preston [Keyboards), Witlie Weeks Bass], Tom Scott ISaxofon] und Alvin Taylor (Schlagzeug] fand der ehemalige Beatle eine Kernmannschaft, die ihn mehr oder minder auch auf seinen folgenden Werken unterstützen sollte.
Im Heimstudio in Fnars Park entstanden Titel wie „Pure Smokey“ und „See Yourself“, die vor Energie nur so sprühen. Zur zweiten Single des Albums. „Crackerbox Palace“, wird ein abgedrehter Clip veröffentlicht. Nach dreijähriger Klausur – George gründet eine neue Familie, richtet ein Zweitdomizil auf Maui. Hawaii, ein und wendet sich vermehrt seiner Leidenschaft, dem Motorsport, zu – meldet sich ein am musikalischen Tagesgeschehen merklich Desinteressierter mit dem schlicht george harrison 3 benannten Longplayer zurück. Inder Hochzeit von Punk, New Wave und Disco fallen Songinhalte wie Spiritualität, Flower Power und Formel-1-Rennen nicht unbedingt auf den fruchtbarsten Boden. Immerhin, mit „Here Comes The Moon“, „Soft Hearted Hana“ sowie dem „White Album „-Outtake „Not Guilty“ nimmt George einen nicht unwesentlichen musikalischen Trend der achtziger Jahre vorweg: die Renaissance des Paisley Psychedelic Undergound.
1980 erleidet Harrison das Schicksal vieler von nun an auf Stromlinie geformter Helden aus den sechziger und siebziger Jahren: Ihm wird von seinem damaligen Label Warner Bros, die Veröffentlichung eines Albums verwehrt. Nachdem er zum Nachsitzen ins Studio geschickt wurde, um vier Songs neu aufzunehmen, erscheint somewherein England 3 dann doch noch. Mit Ray Cooper am Produzentenpult holt Harrison mit der cleveren Metapher „Blood From A Clone“ gleich zum Auftakt des Albums zum sarkastischen Gegenschlag aus. Auf „Unconsciousness Rules“ hagelt es bitterböse Schelte gegen billige Discomusik, mit „Baltimore Oriole“ huldigt er stilecht seinem Jugendidol Hoagy Carmichael, und „Writings On The Wall“ zeichnet unter Mitwirkung des Tabla-Meister Alla Rakha ein düsteres Bild des Lebens.
Zum absoluten Tiefpunkt der Solokarierre des gar nicht so stillen Beatle gerät im Herbst 1982 gone troppo 1 . Desillusioniert von den globalen Entwicklungen, lässt das Interesse des Musikers an der eigenen Zunft merklich nach. Signifikant für das Album ist der für heutige Verhältnisse geradezu inflationäre Einsatz von Synthesizern und das reichlich saloppe Songwriting. Immerhin: „Dream Away“ taucht im Abspann von Monty Pythons „Time Bandits“ auf, „Circles“ ist gar die Neubearbeitung eines 1968 in Indien komponierten Harrison-Originals.
Nach fünf Jahren Pause taucht George Harrison 1987 mit einem Paukenschlag wieder auf: Das von ELO-Chef Jeff Lynne produzierte cloud 9 4 katapultiert ihn zurück in die Charts und in die Öffentlichkeit. Obwohl die elf Songs, darunter die beiden Pilzkopf-Reminiszenzen „When We Was Fab“ und „Got My Mind Set On You“, kaum zeitgemäßer als die auf seinen früheren Alben klingen, wird cloud 9 ein großer kommerzieller Erfolg. Bevor er sich für ein Jahrzehnt wieder ins Privatleben zurückzieht, söhnt sich George Harrison mit Langzeit-Spezi Eric Clapton aus – der hatte ihm einst seine erste Ehefrau Patti ausgespannt und das in dem Klassiker 2 Layla“ verewigt – und nimmt ihn mit auf Fernost-Tournee. Der daraus resultierende Konzertmitschnitt live in japan 2 beleuchtet belanglos Gegenwart und Vergangenheit des Künstlers mit diversen Hommagen ans eigene Beatles-Repertoire.
Auf der rund 75-minütigen Zusatz-DVD 4 schließlich finden sich sieben Promo-Clips, die hier von Harrison persönlich kommentiert werden, vier bisher unveröffentlichte Livemitschnitte der 91er Japan-Tournee mit Eric Clapton sowie einige Szenen aus dem Handmade-Filmflop „Shanghai Surprise“ mit einem schalkhaften George in einer Cameo-Rolle.
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