Floating Points
Crush
Ninja Tune/GoodToGo (VÖ: 18.10.)
Sam Shepherd bringt auf seinem zweiten Album die elektronische Musik auf ihren neuesten Stand.
Die Vorab-Single „LesAlpx“ mit ihrer relativ straighten Tanzbarkeit hätte in die Irre führen können, was die Erwartungen an CRUSH, das zweite Album von Floating Points, betrifft. Hätte – weil man sich immer ins Gedächtnis rufen muss, dass der britische Produzent und DJ Sam Shepherd keiner ist, der leicht Erwartungen erfüllt. Shepherd ist ein manischer Musikhörer, der Avantgarde-Jazz, klassische Musik, R’n’B, Disco, Techno und House in sich aufsaugt – und das findet sich auch in seiner eigenen Musik wieder.
AmazonELAENIA, sein Debütalbum aus dem Jahr 2015, war ein Meisterwerk mit jazzy House-Music, die fast LP-lange EP „Reflections – Mojave Desert“ zwei Jahre später Ambient reinsten Wassers. CRUSH ist nichts von beidem und alles zugleich, oder anders ausgedrückt: Wer die 12-Inches von Floating Points mit ihren komplexen Dekonstruktionen und Erweiterungen der Bassmusik mag, wird dieses Album lieben, es ist dem musikalischen Experiment geschuldet.
Der Opener „Falaise“ ist ein Stück Neue Musik. Anschließend verschwimmen die Grenzen zwischen elektronisch und akustisch, tonal und atonal, Melodie und Störgeräusch, Melancholie und Euphorie. Verbindendes Element des Albums ist der charakteristische Sound des Buchla-Modular-Synthesizers. „Requiem For CS70 And Strings“ klingt wie Kirchenmusik, „Karakul“ stellt den Buchla-Sound puristisch zur Schau.
Es gibt hier Merkwürdigkeiten wie „Bias“, in dem gebremste Breakbeats und eine sehr langsame Bassline dominieren, aber wie so oft bei Floating Points spielt sich die Hauptsache im Hintergrund ab, wo die abenteuerlichsten Effekte irrlichtern. Wenn Floating Points als DJ oder Produzent scheinbar unpassende Genremusiken kombiniert, wirkt das wie ein Korrektiv, das die aktuelle elektronische Musik auf den neuesten Stand bringt.