Electric Jalaba
El Hal – The Feeling
Strut/Indigo (VÖ: 19.3.)
Weiße Jungs in Djellaba entwickeln eine antiquierte Indie-Gnawa-Fusion, die aber funktioniert.
Antiquiert wirkt das Konzept ja schon, es hatte seine Zeit so etwa 1890, nein Quatsch, 2010: Mittelerfolgreiche weiße Musiker*innen schnappen sich in der jeweiligen Musiktradition schon bekannte Acts aus postkolonialen Ländern, entwickeln gemeinsam einen Fusion-Sound, der im Westen funktioniert, und gehen damit durch die Decke.
AmazonSo hat natürlich Pop im Kern immer funktioniert, und bei vielen Gruppen, zuletzt Nihiloxica, entstand Musik, die tatsächlich die globale Klangsprache erweitert. Da posierten die britischen Producer aber auch nicht in traditioneller ugandischer Mode, wie das hier die Gebrüder Keen aus Dorset mit ihren Fantasie-Djellabas machen, wenn sie mit ihrem in Marokko geborenen Frontmann Simo Lagnawi auf die Bühne gehen.
Retro-Synthesizer wummern Moroder-mäßig discoid unter arabischem Call-and-Response
Electric Jalaba ist allerdings vor allem eine britische Angelegenheit, Lagnawi lebt seit über einem Jahrzehnt in England und gilt als einer der wichtigsten britischen Exponenten der Gnawa-Musik – man traf sich am Rande eines Festivals. Gnawa sind eine ethnische Minderheit in Marokko mit Wurzeln südlich der Sahara und Spiritualität im Sufi -Islam, die im Maghreb vor allem ihrer Musik wegen bekannt sind.
Gnawa ist rhythmusorientiert, eigentlich eine Musik für Rituale, die Teilnehmende in Trance versetzen sollen. Lagnawi, dessen arabischer Gesang und Gimbri-Laute den Klang prägen, leitet aus dieser Tradition Rhythmus- und Melodiefragmente ab, die von der Band experimentell erweitert und neu strukturiert werden: Retro-Synthesizer wummern Moroder-mäßig discoid unter arabischem Call-and-Response, die Gitarre flimmert desertig über jazziger Polyrhythmik. Kennt man von Yeasayer oder Gang Gang Dance. Das Ergebnis ist nicht herausfordernd, sondern wohlfeil, aber es funktioniert.