Dr. Dog – Shame, Shame

Folkrock: Die Band aus Philadelphia nähert sich dem Ende ihrer persönlichen Sechziger Jahre.

Seit fast zehn Jahren arbeiten Dr. Dog nach einer eigenen Zeitrechnung: Sie machen altmodische Musik nicht im Sinn nostalgischer Reminiszenz oder antiquarischer Feldforschung, das Quintett aus Philadelphia scheint in der Ära, die es in Songwriting, Arrangement und Instrumentierung detailgetreu belehnt, wahrhaft zu Hause zu sein und in einer historischen Parallelwelt zu leben.

Dr. Dog sind Vintage statt nur Retro: Wo Mark Ronson alten Soul lediglich synthetisch nachbaut, sind sie mit Haut und Haar eine Band der Sechziger – dass sie ein paar Jahrzehnte zu spät geboren sind, ist nicht ihre Schuld. Mit dem sechsten Album SHAME, SHAME treten Dr. Dog – nach ihrer eigenen Zeitrechnung folgerichtig – allmählich in die Siebziger ein. Als grundlegende Koordinaten darf man weiterhin The Beatles, The Beach Boys und The Band annehmen, die Soundästhetik nähert sich nun aber hörbar einer neuen Dekade.

SHAME, SHAME wirkt „produzierter“ als die Vorgänger (an den Reglern saß Rob Schnapf, seit seiner Arbeit mit Elliott Smith bekannt für sein Fingerspitzengefühl bei von Haus aus „roher“ Musik), als Vergleich bieten sich eher die Lennon- und Harrison’schen Solowerke an (ohne viel Phil-Spectorismen), „Someday“ hat seine Queen-Momente und „Later“ erinnert mit derangiertem Karnevalsriff an Sparks. Nach dem Meisterwerk WE ALL BELONG und dem nur marginal schwächeren FATE hing die Messlatte hoch für Dr. Dog – SHAME, SHAME kann das Niveau zwar nicht ganz halten, schließt aber respektabel an die Vorgängeralben an. Und was will man mehr erwarten von einer Band, die gerade in ein neues Jahrzehnt eintritt? Gefühlt oder real – Dr. Dog haben ihre eigene Zeitrechnung.