Dorfpunks von Rocko Schamom

Eingehendes Landkartenstudium ist nötig, um all die Käffer zu finden, wo Musiker aufgewachsen sind, die Hamburg gerne eingemeindet. Knarf Rellöm: Dithmarschen. Bernd Begemann: Bad Salzuflen. Schorsch Kamerun: Ostsee. Auch Rocko Schamoni fällt in die Kategorie SH-Punk: Lütjenburg/Ost-Holstein. Nach der Familiensaga „Risiko des Ruhms“ erzählt er nun die Geschichte dieser Generation, mit der charmanten Selbstverliebtheit, die man aus seinem musikalischen Werk kennt. Schauplatz derjugendlichen Untaten des autobiographisch gefärbten Helden Rodney Dangerblood: die fiktive Kleinstadt Schmalenstedt an der Ostsee. Mit viel Einfallsreichtum und Imanchmal arg aufgesetztem) (Wort-Witz macht Schamoni die Mechanismen der Pubertät auf dem flachen Land nachvollziehbar: das zugezogene Lehrerkind muss gewalttätige Initiationsriten durchlaufen, um von der Dorfjungsgemeinschaft als „hart“ akzeptiert zu werden. Hört AC/DC und Kiss, um als Mann durchzugehen, bis durch die älteren Brüder der Punk in sein Leben tritt: „Später klebte ich mir auf eine Lederimitatjacke hinten mit Filzbuchstaben AC/DC drauf und hielt mich dadurch für Punk, ohne eigentlich zu wissen, was das sein sollte. Punk war wohl einfach das Härteste.“ Zwischen kurzweiligen Episoden über Zündapp-Mofas, Rum-Cola, vorzeitige Ejakulation und musikalische Gehversuche sind es vor allem die Langeweile des Landlebens und die damit verbundene Gewalt, die Schamoni mit nötigem Ernst und Eindringlichkeit schildert. Zugleich schafft er es, seine Jugend selbstironisch zu betrachten, die damalige Lächerlichkeit und Unwissenheit einzugestehen und auszustellen. So fühlt sich etwa die Ost-Holstein-Punk-Gang beim Berlinbesuch nur kurz unterden Gleichgesinnten wohl, nach dem Motto: Warum schnorren, wenn bei Muttern das Essen auf dem Tisch wartet? Eine lesenwerte, persönliche Aufarbeitung, weniger ein Insider-Tatsachenroman [trotz Episoden wie der Aufnahme Campinos in den „Club der Gemeinen “ und dem Hosen-Konzert in Timmendorf).