Diskografie

Movement (Factory/Warner) (1981)

Der Titel des New-Order-Debütalbums suggeriert, daß die Dinge in Bewegung geraten. Doch in Wirklichkeit bleibt der Schub aus. Produzent Martin Hannett erweist sich als Bremsfaktor und oktroyiert der Band einen Sound auf, den er sich schon für Joy Division ausgedacht hatte. Bedrohlicher Trommelwirbel jagt Furcht und Schrecken ein, Bernard Sumners Gesang bewegt sich noch in den Tieflagen von lan Curtis, überall auf movement regiert der Hall, und die Stimmung des Albums bleibt strikt düster. Der Schatten der Vorgängerband liegt über diesem Debüt, doch die Qualität der vorgelegten Songs verhindert es, daß sich auch so etwas wie Magie einstellen würde.

Power Corruption & Lies (Factory/Warner) (1983)

Weder das Blumenbild auf dem Frontcover noch die geometrisch angeordneten Löcher auf der Rückseite noch I die schwarze Innenhülle lassen erkennen, wer eigentlich hinter dieser Produktion steckt. Man muss die Platte schon herausnehmen, um sicher zu sein, ein New-Order-Album vor sich zu haben – ihr erstes selbstproduziertes Werk. Trotz des Verwirrspiels wird eines klar: Die Band fühlt sich nun mündig und bringt ihren Optimismus im ausgelassenen „Age Of Consent“ zum Ausdruck. Rudimente des Düstersounds, Kraftwerk-Impressionen und „Ultraviolence“, das ein bißchen an die Deutsch-Amerikanische Freundschaft erinnert, unterstreichen neue Lust auf Kontrastprogramm.

Low-Life (Factory/Warner) (1985)

New Orders Identitätssuche ist mit ihrem dritten Album abgeschlossen. Wo sie vorher vorsichtig und schüchtern wirkten, erscheinen sie auf LOW-LIFE nun selbstbewußter. Ob es am zwischenzeitlichen Erfolg der Single „Blue Monday“ liegt? Der Sound des Albums ist voller, die Songs sind zugänglicher als auf den beiden vorangegangenen. „The Perfect Kiss“ ist ein regelrechtes Pop-Epos, „Subculture“ steht unter dem Eindruck von elektronischen Discosounds aus der kurzlebigen Hi-NRG-Ära. Beide Titel waren Renner in den Clubs, aber nur moderate Hits in den Charts. Man fragt sich bis heule, was wohl passiert wäre, wenn auch noch „Love Vigilantes“ und „Sooner Than You Think“ als Singles ausgekoppelt woren wären.

Brotherhood (Factory/Warner) (1986)

Mit dem Gedanken der Verbrüderung, der im Titel des vierten New-Order-Albums zum Ausdruck kommt, hatte es durchaus etwas auf sich. In New Order schlugen immer schon zwei Herzen – das der Rockband und das der elektronischen Tanzkapelle. Auf brotherhood werden beide Vorlieben zur Abwechslung fein säuberlich getrennt. Die erste Seite des Albums ist gitarrenlastiger und wirkt durchdacht arrangiert, wenngleich ein Song-Übermoment von historischen Ausmaßen fehlt. Den bekommt man dafür auf der zweiten Seite von BROTHERHOOD geliefert, allerdings ist „Bizarre Love Triangle‘ sträflich schlecht abgemischt – so als ob man zu großem Erfolg wissentlich vorbeugen wollte. Bernard Sumners Lachen und Laisser-faire-Haltung in „Every Little Counts“ zeigen, wie locker es New Order mit diesem Album nahmen.

Substance (Factory/Warner) (1987)

Substanz? Die Dame und die Herren aus Manchester beliebten zu scherzen. Daß New Order gehaltvolle Arbeit abliefern, war zu dem Zeitpunkt, als SUBSTANCE veröffentlicht wurde, längst klar. Ganz besonders galt das für die Singles, mit denen das Quartett in seiner ganz eigenen Liga spielte. Auf dieser Doppel-CD hagelt es Hits, Hits und nochmals Hits, hinzu kommen B-Seiten und Raritäten. Frühe Kultsongs [„Everything’s Gone Green“] begeistern ebenso wie die romantische Abschweifung in „Thieves Like Us“, der Funk in“.State Of The Nation“ und die betörende Simplizität in „True Faith“. Wer der Popkultur der80er Jahre auf die Schliche kommen will, tut gut daran, dieses Vorhaben mit SUBSTANCE zu beginnen.

Technique (Factory/Warner) (1989)

Über ihren Hacienda-Club in Manchester hielten New Order stets engen Kontakt zu den Entwicklungen in der Clubszene. Natürlich war ihnen nicht entgangen, was sich Ende der 80er Jahre dort abspielte, egal ob man es Acid House, Balearic Beats oder Techno nannte. Die Grooves in „Fine Time“, „Round And Round“ und „Mr. Disco“ sind hörbar von den neuen Strömungen beeinflußt. Parallel dazu pflegen die Musiker aus Manchester in „All The Way“ und „Run“ auch ihre traditionelle Bindung zum melancholischen Gitarrenpop. Weil die Mischung aus beidem sehr ausgewogen klingt, gehört TECHNIQUE ganz klar zu den empfehlenswerten Alben der Band.

Republic (London/Warner) (1993)

Nach 15 Jahren Indie-Dasein und dem Ende von Factory waren die Pop-Ästheten zu einer Major-Plattenfirma gewechselt. Gezwungenermaßen, denn das um sie herum aufgebaute Imperium war zusammengebrochen. Auf den geschäftlichen Bankrott folgte aber nicht der künstlerische, wenngleich REPUBLIC ohne Frage das glatteste Album von New Order ist. Lediglich in „Regret“ beißt und kratzt die Band mit krachiger Gitarre und wühlendem Baß. Sonst dominieren auf REPUBLIC elektronische Sounds. Dagegen gibt es nichts auszusetzen, wenn man sich etwa „Spooky“ anhört. Im Grunde genommen könnte es sich bei diesem Longplayer aber um ein Soloprojekt von Bernard Sumner handeln. Die anderen Musikerwirken im Vergleich zu ihm anonym, der innere Zerfall der Band ist offensichtlich.

Get Ready (London/Warner) (2001)

Nach acht Jahren Pause und intensiver Beschäftigung mit ihren Nebenprojekten Electronic, Monaco und The Other Two geben sich New Order auf GET READY offensiver, kompakter und professioneller als jemals zuvor. Gleich in „Crystal“ und „60 Miles An Hour“ ziehen sie alle Rock-Register, für ihre Verhältnisse jedenfalls. Ob sie etwas von der Wiederentdeckung von Punk und Garagenrock geahnt hatten? Trotz alledem bleibt die Pop-Essenz der Band auf GET READY erhalten. Bernard Sumner ist weiter der unaufgeregteste Sänger im Biz. Peter Hook und Stephen Morris haben mehr zu tun als auf den beiden Alben zuvor zusammen genommen. Mit GET READY melden Dauerkultstars mit Nachdruck Ansprüche auf ihren Legendenstatus an.