Diese Bands, Künstler, Trends und Alben werden 2012 bestimmen. Sagen wir jetzt einfach mal so. :: Böse Brüder

Die Entwicklung des Dubstep geht weiter. Allerdings nicht immer in eine positive Richtung. Gefahr droht aus den USA, wo sich das prollige Subgenre Brostep breitmacht.

Das jüngste Rihanna-Album Talk That Talk brachte es an den Tag: Dubstep ist mittlerweile dick und phatt im Mainstream angekommen. Schwergewichte des R’n’B und ihre Berater beauftragen Produzenten, die sich mit diesem ach so undergroundigen Sound auskennen, weil man glaubt, dass er für musikalische Grundauffrischung sorgen kann. Wird nun das, was in britischen Nischen so famos begann, von Massenverwertern kaputt kommerzialisiert? Die Gefahr besteht zumindest, wenn man sich vergegenwärtigt, was sonst noch in den USA geschieht. Dort sind nicht nur Sepalcure zu Hause, die verspielten Zugang zur Bassmusik suchen und ein hohes Qualitätsniveau erreichen. Dort sitzen auch Leute, die Brachiales und Bombastisches im Sinn haben. Hauptvertreter ist Sonny Moore, der früher in einer Rockband sang, wie ein Emo-Kid auf einer Fan-Tagung von My Chemical Romance aussieht und dicke Remix-Aufträge aus dem Hause Lady Gaga, Katy Perry und La Roux an Land gezogen hat. Seit drei Jahren produziert er unter dem Namen Skrillex Dubstep-Tracks, die in Liebhaberkreisen auf Abneigung stoßen, andererseits aber auch unglaublich beliebt sind. Fast 50 Millionen Hits auf Youtube für seinen Song „Scary Monsters And Nice Sprites“ sprechen eine eindeutige Sprache. Das Erfolgsgeheimnis von Skrillex beruht auf dem Gedanken des Zusammenpralls zweier Welten. Einmal vernimmt man melodisches Säuseln nach Art von Owl City im Zusammenspiel mit breiten Trance-Keyboardflächen. Dem stehen aggressive Wabbelsounds gegenüber, die an harte Drum’n’Bass-Tracks erinnern. Es gibt auch schon einen Namen für das, was Skrillex und die ähnlich aufgestellten Kollegen Excision und Figure treiben: Brostep. Das ist von bro-ing out abgeleitet, dem Beisammensein von Jungs, die zusammen derbe feiern wollen. Sicher: Schon der ursprüngliche Dubstep war eher Jungsmusik. Aber jetzt sind es Jungs mit dicken Muskeln und dicken Autos, die auf Mega-Raves auf dicke Hose machen. Das war nun wirklich nicht im Sinne des Erfinders. tw

Woodkid

Eine sympathische Nummer sicher: französischer Singer/Songwriter mit viel Herz

Okay, da KANN doch nichts mehr schiefgehen: Yoann Lemoine, 1983 in Frankreich geboren, hat sich bisher einen Namen als Regisseur von Videos für unter anderem Katy Perry, Taylor Swift und die Mystery Jets gemacht. Im März 2011 veröffentlichte er unter dem Alias Woodkid erstmals eigene Musik: die EP „Iron“, deren bläserlastiges Titelstück gleich mal im Trailer des zugkräftigen Videospiels „Assassin’s Creed: Revelations“ eingesetzt wurde. Die Hauptrolle im Clip zum Song spielt das britische Topmodel Agyness Deyn. Während eines Konzerts in New York im Rahmen seiner ersten Welttour stand auf einmal Lana Del Rey neben Woodkid auf der Bühne und sang „Iron“. Und neulich, als ihm langweilig war, nahm er ein berührendes Cover von Adeles ohnehin berührendem „Someone Like You“ auf. Die Folge, natürlich: ein Internet-Hit. Machen all diese Erfolgsgarantien den jungen Herrn vielleicht sogar unsympathisch? Dann gebe man bei Youtube bitte mal „Aides Graffiti“ ein und sehe sich ein mehrfach ausgezeichnetes Video Woodkids an, in dem ein auf eine Toilettenwand gekritzelter Penis zum Leben erwacht und ungeschützt vorsichtige Vaginas verscheucht. Die wohl lustigste Kondomwerbung der Geschichte. Dieser Mann hat sein Herz am richtigen Fleck. scr

Lianne La Havas

Mit Soul-Pop empfiehlt sich die bescheidene Londonerin als neuer Ruhepol.

Popfrauen treten heutzutage für gewöhnlich selbstbewusst und laut auf. Eine Ausnahme bildet Lianne La Havas, eher so die zarte Versuchung. Bei bisherigen Auftritten sah man sie meistens allein an der Gitarre. Eine Ausnahme ist der Song „No Room For Doubt“, in dem sie vom US-Singer/Songwriter Willy Mason begleitet wird. Ein wichtiger Fürsprecher ist Justin „Bon Iver“ Vernon, der ihr bei der Fernsehsendung „Later… with Jools Holland“ zuhörte und so begeistert war, dass er sie fürs Vorprogramm seiner US-Tour im Dezember engagierte. Vernon mag Soul, und von dem hat La Havas viel intus. Der gefühlvolle Vortrag der 22-Jährigen erinnert an Amy Winehouse, an Leslie Feist, Tracey Thorn und Billie Holiday. Viel Wert legt die Tochter eines Griechen und einer Jamaikanerin auf Ehrlichkeit. Sie will den Hörern nichts vormachen und erzählt Geschichten aus dem eigenen Leben, etwa die von einem älteren Liebhaber in „Age“. Auf die erste EP „Lost & Found“ soll in der ersten Hälfte des neuen Jahres das Debütalbum folgen. tw

Spector

Es gibt sie noch, die guten Dinge: Der Gitarrenrock der Briten Spector verzichtet auf Innovationen.

Die Außenwirkung stimmt schon mal: In Sachen Outfit orientieren sich Spector, deren Frontmann Fred Macpherson manche noch von Les Incompetents kennen mögen, an denen, die Ahnung haben. Elvis Costello, Jarvis Cocker, Neil Hannon. Wichtiger: Mit „Grey Shirt & Tie“ und „What You Wanted“ veröffentlichten sie im vergangenen Jahr zwei Songs, die hängen blieben. Der Grund dafür ist zumindest uns noch nicht so ganz klar. Knüpft das an die etwas wuchtigeren Britpop-Bands der zweiten Welle an, an smarte Künstler wie Animals That Swim oder Cousteau? Oder ist’s doch nur eine etwas upgedatete Version kontemporären Mainstream-Rocks der Editors- oder Killers-Schule? Die Antwort wird das Album geben, das 2012 erscheinen soll. Gut vernetzt sind die Londoner auf jeden Fall: Bei der Release-Party ihrer Debütsingle schauten unter anderem die Rumble Strips, Florence Welch, Ed Larrikin und Tom Vek vorbei. jov

Grimes

Fräuleinwunder aus Kanada: Grimes und ihr verschwurbelter Dance-Pop wecken Hoffnungen.

Nein, ganz neu ist Grimes in der Tat nicht. Schon in den letzten eineinhalb Jahren tauchte die Musikerin aus Montreal immer wieder auf, veröffentlichte sogar zwei komplett in Eigenregie aufgenommene Alben. Allerdings bestanden die vornehmlich aus hypnotischen Sample-Collagen, die bei aller Atmosphäre noch keinerlei Ziele zu verfolgen schienen. Aber was wollte man auch von jemand erwarten, der laut eigener Aussage den intensivsten Moment seines Lebens hatte, als er mit Arvo Pärt im iPod, bei Minusgraden und auf Acid durch die kanadische Bergwelt kletterte und sich dabei am ganzen Körper schlimm blutende Wunden zuzog? Eben. Jetzt soll aber Pop das Maß der Dinge für Grimes sein. Nachzuhören ist das in „Oblivion“: Kate Bush trifft Zola Jesus trifft DFA. Ein Vorabtrack, der Großes für das neue Album verspricht, das 2012 beim kanadischen Indie Arbutus erscheinen soll und von den Kollegen des Online-Portals Gorilla vs. Bear bereits zur „most anticipated record of 2012“ erklärt wurde. Wir sind gespannt. jov

Friends

Fünf Freunde müsst ihr sein – und beschwingten Weird Pop für die Post-Disco spielen.

Die Band aus Brooklyn heißt nicht umsonst so. Ihre Sängerin Samantha Urbani schreibt vorzugsweise Lieder über soziale Beziehungen und alle Mitglieder des Quintetts sind miteinander befreundet. Und das kam so: Urbani quälte sich gelangweilt durch ihr Studium – während ihre Kommilitonen eifrig Vorlesungen mitnotierten, schrieb sie Songtexte in ihren Laptop. Der per E-Mail akquirierte Keyboarder-Kumpel Matthew Molnar machte aus dem Ein-Frau-Projekt schnell ein Duo, bald stand das erste Lied als Demo: „I’m His Girl“. Auf einer Party freundete sich Urbani mit Gitarrist Nikki Shapiro an, der dem Song kurz darauf seinen eingängigen Post-Disco-Basslauf verpasste. Das Übrige erledigten, jawohl: Wanzen. Urbanis Jugendfreundin Lesley Hann und deren Mitbewohner Oliver Duncan mussten aufgrund einer Ungezieferplage ihr Haus verlassen und kamen für einige Zeit bei Urbani unter. Schon hatten Friends ihre Bassistin und ihren Drummer. Einen weiteren Song, „Friend Crush“, und eine halbe Million Youtube-Klicks später steht die Band nun vor ihrer ersten Europatour. Das Debütalbum soll im Frühjahr erscheinen. scr

Gesaffelstein

Der germanophile Franzose setzt dem Techno-Minimalismus Mut zu Mumm und martialischen Rhythmen entgegen.

Man konnte ihm schon 2011 schwer aus dem Weg gehen. Allein in Berlin war Mike Levy alias Gesaffelstein drei Mal live als DJ zu sehen. Dass er nicht zu den gewöhnlichen Techno-Produzenten gehört, sah man ihm schon äußerlich an. Levy legt Wert auf ein gepflegtes Erscheinungsbild, tritt stets im schwarzen Anzug auf und hebt sich damit angenehm vom Rocker- und Clochard-Image ab, das in Pariser Elektro-Kreisen sehr beliebt ist. Das eigentlich Tolle ist aber natürlich: sein Sound. Gesaffelstein-Tracks sind nicht zu monoton und rauschen nicht ohne Flair am Ohr vorüber. Ähnlich wie bei The Hacker oder Black Strobe kommt ein Dunkelkammer-Moment aus Zeiten der Electronic Body Music ins Spiel, das Levy aber nicht zu radikal oder bärbeißig integriert. Eine gewisse Nonchalance bleibt erhalten und der verspielte Geist von Yello oder Telex kommt ebenfalls zur Geltung. Levys wichtigster Alliierter ist Tiga, der die letzten Maxis des Parisers auf seinem Label Turbo Recordings veröffentlicht hat. Das gleicht einem Lob von höchster Stelle. tw

Drauflos

HipHop ist auch nicht mehr das, was er einmal war – und das seit ungefähr 1990. Neuerdings ist das allerdings als Kompliment gemeint.

2012, darauf haben sich alle in erstaunlicher Eintracht verständigt, wird super. Auch und vor allem, weil die alten Regeln endgültig keinen Bestand mehr haben und einfach drauflosmusiziert wird, als wäre es immer schon um genau das gegangen: um Musik. Dreampop-Samples, der grotesk entschleunigte Screwed-&-Chopped-Sound aus den trostlosen Asphaltwüsten Texas‘, R’n’B auf Indie-Basis, Minneapolisfunk und Hessen-Trance, saftige Ohrfeigen aus der 808, Free Jazz, todernste TripHop-Referenzen, mit archäologischer Akribie reproduzierter Retrorumpelrap, spastische Stolperbeats in der Passgröße von Progrock, Juke aus Chicago und vielerlei mehr in immer neuen Kombinationen und Potenzen, derer man auch mit ausgetüftelten Hashtags nicht Herr werden kann. Und das Allerbeste ist, dass diese brodelnde Ursuppe mit dem Löffel der Selbstverständlichkeit angerührt wird, fern von jenem etwas hüftsteifen Geschichtslehrergestus, der früheren Fusionsprojekten vom Reißbrett wie Jazzmatazz gerne mal anhing. Es geht nicht mehr um Purismus und Eklektizismus. Die ganze Idee von Purismus und Eklektizismus hat sich aufgelöst, so wie sich nach der Szene nun auch noch die Szenen aufgelöst haben. Es ist alles einfach da, und davon reichlich. Nur von der Vorstellung, auch nur im Ansatz den Überblick behalten zu können, muss man sich daher leider lösen. Vielleicht trotzdem ein paar Namen, die man sich für 2012 merken sollte? Na gut. Hier, in Deutschland: Cro, Ahzumjot, Megaloh, Marsimoto. Drüben, in den USA: A$AP Rocky, Kendrick Lamar, Danny Brown, Pusha T, Quelle Chris, Roc Marciano, Meek Mill, Juicy J, Drake, natürlich immer noch Drake, der letzte große Superstar des Genres. Beats: Clams Casino, Araabmuzik, T-Minus, Doc McKinney & Illangelo, Hudson Mohawke. Gesang: The Weeknd, Frank Ocean, Jamie Woon, Jessie Ware, Fatima, The-Dream. Alben? Keine Ahnung, irgendwie vergessen. 50 Cent soll wohl wieder was machen. Angeblich klingt er auch wieder wie früher. db

Azealia Banks

Die provokante Elektro-Rap-Göre lässt Nicki Minaj und Amanda Blank brav aussehen.

Pop ist langweilig ohne Figuren, die Dreck am Stecken haben. Man darf also dankbar für Azealia Banks sein. Die Rapperin aus New York ist gerade mal 20 Jahre alt, hat es aber schon geschafft, sich mit Richard Russell, Chef des britischen Indie-Labels XL, zu überwerfen. Im Eiltempo wurde das junge Talent von XL gesignt und gleich wieder gedroppt. Banks bezeichnet Russell heute als „Arschloch“. Woher das böse Blut? Nichts Verlässliches ist bislang durchgesickert. Wahrscheinlich hatte Banks keinen Bock auf Zensur. Russell wiederum war nicht an Songs in seinem Programm interessiert, in denen Zeilen wie „I’m a ruin you, cunt“ vorkommen. Diese, die böseste Vokabel für das weibliche Geschlechtsteil, ist selbst im HipHop-Kontext ein Extrem und sogar jemandem, der wie Russell mit Tyler, The Creator zusammengearbeitet hat, zu viel. Im Video zu erwähntem Song, „212“, ist Banks mit Pippi-Zöpfen, Micky-Maus-Top und Hot Pants zu sehen. Fast schon wieder niedlich. Zurzeit arbeitet sie mit Produzent Paul Epworth und die Majors reißen sich um sie, seit sie die „Cool List“ des „NME“ für 2011 anführte. tw

Der Druck steigt

Madonna, Die Ärzte, The XX und der Boss: Sie alle und noch einige mehr haben Liefertermine für 2012 – nicht nur bei ihren Fans.

Einen gewissen Ehrgeiz, auch mit ihrer Musik weiter megaerfolgreich zu sein, dürfen wir der multidisziplinären Geschäftsfrau Madonna wohl unterstellen. Erst recht angesichts der härter gewordenen Konkurrenz mit Rihanna, Katy Perry, Beyoncé und: Lady Gaga. Bei ihrem zwölften Album half wieder William Orbit, der 1998 schon ihr sogar von Kritikern gelobtes Ray Of Light produzierte. Außerdem sind u.a. M.I.A. und Nicki Minaj zu Gast, auf der Single „Gimme Me All Your Luvin“. In der bereits geleakten Fassung waren sie allerdings noch nicht zu hören – es sei nur ein „Demo“, heißt es. Klarheit wird der 5. Februar bringen. Dann tritt Madonna beim Super Bowl auf. Das Album folgt ein paar Wochen später.

Tatsächlich noch mehr offene Fragen bleiben zu den Alben der Ärzte, der wiedervereinigten Beginner und von Sportfreunde Stiller. Gerade die letzten beiden dürften sich wohl den Kopf darüber zerbrechen, wohin ihr musikalischer Weg führen soll – und die Berliner waren ohnehin schon immer große Geheimniskrämer. Immerhin haben sie einen VÖ-Termin: 13. April.

Erbauliche (Vollzugs-)Meldungen aus den Aufnahmestudios gab und gibt es von Gossip (s. S. 58), Phoenix, The XX, The Shins, Pearl Jam, Bruce Springsteen (samt E-Street-Band!), Cat Power, Franz Ferdinand, Billy Talent – und Bloc Party, die Scherzbotschaften aus New York versenden: „Kele Okereke ist noch mit dabei – dafür ist Tong draußen und wird durch Dave Abbruzzese ersetzt.“

Schwierig ist hingegen die Situation für MGMT. Ihr Label macht nach dem großartigen, aber wenig hittigen Congratulations Druck. Zumindest der Name des dritten Werks steht schon mal fest: MGMT. Tatsächlich sollen übrigens auch die Strokes sich nach Fertigstellung von Angles gleich wieder an die Arbeit gemacht haben für ihr fünftes Album. Ausgerechnet. Morrissey hingegen habe zwar schon genügend Songs für eine neue Platte geschrieben, sagt er, will sie aber erst aufnehmen, wenn ihm ein Label einen ordentlichen Vertrag anbietet.

Alben, die schon 2011 erscheinen sollten, werden nachgeliefert von: U2 – Produzent RedOne ist draußen, Danger Mouse dafür drin (auch ein drittes Gnarls-Barkley-Album soll kommen!); No Doubt – ein Hitalbum mit Ansage will lange und teuer produziert sein; Dr. Dre – sein Detox ist längst das Chinese Democracy des HipHop; Beastie Boys – wo bleibt Hot Sauce Committee Part One? Queens Of The Stone Age – die Tour zum Re-Release ihres Debüts hielt sie auf, beeinflusste aber den nun wieder aggressiveren, „kaputten“ Sound des kommenden Albums, verspricht Josh Homme. ogö

Gross Magic

European Slacker: ein Brite und der verpeilte T.Rex-Baukasten

Erinnert sich eigentlich noch jemand an David Vandervelde, der vor auch schon wieder einiger Zeit mit hübsch falsettierender Stimme kleine Glam-Kammerpop-Nummern deklarierte? Vermutlich nicht, irgendwie verpufften die Songs des Amerikaners im Nichts. Was das mit Gross Magic, dem Projekt von Sam McGarrigle zu tun hat? Nun, die beiden teilen sich nicht nur die Stimme, sondern auch eine Vorliebe für zärtelnde Popsongs. Doch wo die bei Vandervelde immer traditionalistisch-psychedelisch wirkten, bedient sich Gross Magic an der Trendschleuder der Gegenwart. Post-Grunge, Witchhouse, Irgendwas-Glam: Ohne allzu große Rücksicht greift der Brite in alle Baukästen. Dass das alles zusammenpasst, zeigt sein bisher bester Song „Sweetest Touch“. Im Video stolpert er als Slacker-Verpeilo (wieder, die 90er-Jahre!) durch eine farblich verfremdete Walachei, dazu kämpft ein Nirvana-Bass gegen Vocals der T.Rex-Schule. Die werden an anderer Stelle mit ultra-melodiösem Synthpop kombiniert. jov

Resurrected

2012 wird ein Jahr der Comebacks werden. Einige davon kommen unerwartet, andere kündigten sich schon länger an.

Ein bisschen riskant ist es ja schon, was die Stone Roses da vorhaben. Bereits nach wenigen Proben kündigten sie vollmundig Mega-Open-Airs an, die im Sommer 2012 im Raum Manchester stattfinden werden. Die Tickets waren in Rekordzeit weg, weitere Shows in ganz Europa sind längst angesetzt kein Wunder angesichts der gewaltigen Bedeutung der Band für den Britpop. Aber die Stone Roses waren immer auch ein undisziplinierter Haufen voller Egoprobleme mit einem Sänger, der nun wirklich nicht zu den Großen seines Fachs gehört. Sie brauchten ewig für die Aufnahmen des zweiten Albums und zerfielen danach sukzessive in ihre Einzelteile. Aber jetzt soll alles wieder gut sein. Resurrection time again. Ein Highlight soll auch die Wiedervereinigung der Originalbesetzung von Black Sabbath werden, die im November mit Tamtam im „Whiskey a Go Go“ in Hollywood verkündet wurde. Völlig unerwartet kam diese Nachricht nicht, schließlich haben die Mitglieder der Urbesetzung nach dem Rauswurf von Ozzy Osbourne im Jahre 1979 hier und da einen neuen Anlauf unternommen, aber bislang nur live. 2012 soll es neben weiteren Shows endlich ein neues Album geben, mit dem sich für Produzent Rick Rubin ein Jugendtraum erfüllt. Etwas überraschend vermeldet auch Lauryn Hill ihre Rückkehr. Mit ihr hatte man gar nicht mehr gerechnet, weil sie 2011 zum sechsten Mal Mutter geworden ist und ihre Pflichten gegenüber ihren Kindern bekanntermaßen ernst nimmt. Dennoch gibt die Sängerin im Januar zwei Konzerte in Deutschland, denen ihr zweites Studio-Album folgen soll, ganze vierzehn Jahre nach The Miseducation Of Lauryn Hill. Auch auf das vierte Album von Seeed darf man sich vorfreuen. Die Berliner Band musste in sich gehen und sich fragen, ob in ihrem Dancehall-Ding noch genügend Drive steckt. Und Peter Fox hatte zu überlegen, ob sich die Zeit nach seinen gigantischen Soloerfolgen noch zurückdrehen lässt. Aber er hält seiner alten Clique beharrlich die Treue. tw

Niki and the Dove

Esben & The Witch in tanzbar: düsterer Art-Pop aus Schweden

Jetzt aber raus aus den Blogs: Seit ihrer im Frühjahr 2010 erschienenen Doppel-A-Seite-Single „Under The Bridges“/“DJ, Ease My Mind“ wird unter Videos der Schweden Malin Dahlström und Gustaf Karlöf nun schon der „Gefällt mir“-Button gedrückt. 2011 erschienen dann die beiden, von begeisterten Rezensionen begleiteten EPs „The Fox“ und „The Drummer“. Zeit und Welt sind reif für ein Album. Das dürfte, sollte sich das Duo für keinen radikalen Stilwechsel entscheiden, wie ein Remix-Album von Esben & The Witch, wie eine von Hurts produzierte Robyn-Platte oder ein Mash-up aus S.C.U.M. und Fever Ray klingen. Das theatralische Element der Band kommt nicht von ungefähr – und ist auch keinem Trend geschuldet: Dahlström und Karlöf trafen sich bereits 1999, als sie zusammen Musik für ein Theaterstück in Göteborg komponierten. 2007 waren sie dann Teil der von Kritikern als vielversprechend bezeichneten, aber letztlich erfolglosen Folkband The Dora Steins. Ein Schicksal, das sich unter dem Namen Niki And The Dove hoffentlich nicht wiederholen wird. Wenn nur endlich mal ein Album käme. scr

Cloud Boat

Zwei Vollbärte aus Nord-London entwickeln eine mögliche Zukunft der bassmusik.

Die Bilder von ihren Liveauftritten wollen nicht passen zur Musik: Da sitzen zwei vollbärtige Männer auf Stühlen und beugen sich über ihre Gitarren, während aus der Lautsprecheranlage impressionistische, abstrakte, basslastige Musik dröhnt, die mit Vollbart-Folk nicht viel zu tun hat. So klingt es, wenn ein klassisch ausgebildeter Musiker und ein ehemaliger Philosophiestudent eine Band gründen. Tom Clarke und Sam Ricketts fusionieren und transzendieren mit zwei Gitarren und Effektgeräten Dubstep, Neue Musik, aber auch den Advanced Folk von Bon Iver. Cloud Boat haben sich nach einem Gemälde des Litauischen Malers und Komponisten Mikalojus Konstantinas Ciurlionis benannt, stammen aus dem nördlichsten Nord-Londoner Stadtbezirk Enfield, sind im Vorprogramm von James Blake und Mount Kimbie aufgetreten und haben einen Vertrag beim belgischen R&S-Label unterschrieben, wo ihr bisher einziger Tonträger, die 10-Inch-Single „Lions On The Beach“, erschienen ist. ko

Was macht eigentlich …?

Skyline oder Bordstein – was wurde aus den Künstlern der letztjährigen Hotlist?

James Blake: Sein Debütalbum erreichte die britischen Top Ten, war für den Mercury Music Prize nominiert und kam in der Liste unserer Platten des Jahres 2011 auf einen stolzen Rang zwei.

Casper: Sein brutal gehyptes Album XOXO stand nach der ersten Verkaufswoche erwartungsgemäß auf Platz eins der deutschen Charts. Im ME-„Krieg der Sterne“ fiel das Album mit einer Durchschnittswertung von schlappen zwei Sternen durch.

Com Truise: Er veröffentlichte sein vielfach gelobtes Album Galactic Melt und durfte für den Disney-Konzern sogar einen Track aus Daft Punks „Tron: Legacy“-Soundtrack remixen.

Cotton Jones: Die Indie-Folker veröffentlichten eine melodieversunkene EP namens „Sit Beside Your Vegetables“, von der allerdings bedauerlicherweise kaum jemand Notiz nahm.

Depressed Buttons: Die Spin-off-Band von The Faint kann sich seit 2011, ihrem Jahr on the road, als durchaus konzerterprobt betrachten. Jetzt darf aber bitte mal das Album kommen.

Florrie: Sie sollte eigentlich gleich wieder auf die Hotlist gesetzt werden. Das schlagzeugspielende Model machte 2011 zwar weiterhin von sich reden, aber nur überschaubar viel Musik. Die Britin ist immer noch der Popstar in spe.

Girl Talk: No talk in 2011. Um den wilden Mash-up-Künstler blieb es dann doch verblüffend still.

Kanye & Jay-Z: Ihr Album Watch The Throne hat bislang über eine Million Exemplare in den USA verkauft und erreichte in so ziemlich jedem Land der westlichen Welt vordere Chartsplätze.

Miniature Tigers: Sie ließen „Boomerang“, der appetitanregenden Vorabsingle zum Album Mia Pharaoh, dann leider doch kein Album folgen.

Sizarr: Sie begeisterten live immer mehr Besucher, sind ihr Album bislang schuldig geblieben und stehen daher weiterhin unter Beobachtung.

The Soft Moon: Ihr Debütalbum war dem ME stolze fünf Sterne wert. Die psychedelische Mischung aus Postpunk, Noise und Darkwave wird aber wohl ein Kritikerthema bleiben müssen.

Tanlines: Das Versprechen, ihr Debütalbum im Frühjahr 2011 veröffentlichen zu wollen, haben die Experimentalpopper leider gebrochen.

The Vaccines: Ihr Debüt What Did You Expect From The Vaccines? stieg auf Platz vier im UK ein und wurde dort zum erfolgreichsten Album einer Newcomerband 2011.

Wolfram: Er stellte sein Eurodisco-Album Wolfram live der ganzen Welt vor und beehrte mit einem DJ-Set im Herbst unseren Berliner me.Klub.

Jamie Woon: Der ehemalige Support-Act von Amy Winehouse wurde zwar von manchen als neuer Mark Morrison belächelt, doch der Erfolg seines Albums Mirrorwriting gab ihm recht. scr