Die Höchste Eisenbahn
Ich glaub dir alles
Tapete/Indigo (VÖ: 16.8.)
Puzzlepop: Die Höchste Eisenbahn ist auch auf ihrem dritten Album kompliziert und anheimelnd zugleich.
Einmal flackern die Lichter. „Zieh mich an“ heißt der Song, in dem es plötzlich ganz sexy wird. Er erzählt von Liebe und Geilheit und von Tieren, die lachen, und irgendwann davon, dass gleich jemand abgeholt wird, „von ihnen“. Es scheint ein Lied aus der Zukunft zu sein, und es zeigt am deutlichsten auf, worum es bei der Höchsten Eisenbahn geht. Einmal natürlich um die oben angerissene Begabung, textlich Themenfelder zu verknüpfen, einen Stream of Consciousness zu schaffen, der gleichzeitig konkret und vielräumig wirkt. Es tritt aber auch die Beweisführung für eine andere These an: Die Eisenbahn ist in der deutschen Poplandschaft vor allem deshalb einzigartig, weil sie diese zwei Frontmänner hat: Moritz Krämer, ein Nuschler vor dem Herrn, immer etwas klagend, stets auf der Hut; und Francesco Wilking, ein Fuchs, der sogar auf den Stimmbändern ein Fell hat, das alles, was aus seinem Mund kommt, leicht belegt wirken lässt.
Es sind eine Menge an Eindrücken, die in diesem einen Song auf den Hörer einprasseln. Aber am Ende ergeben sie ein großes Ganzes, denn das kann die Eisenbahn: Hits schreiben. Auf dieser Platte mal solche, die rasch knallen („Job“), mal welche, die smart an den Power-pop der Spätsiebziger erinnern („Louise“), mal welche, mit denen man spielen möchte wie mit einem kleinen Dackelwelpen („Aufregend und neu“). Musikalisch leben all diese Lieder von einer im Vergleich zum Vorgänger gewachsenen Varianz, die sich aber nie allzu ernst nimmt, von einer Vielseitigkeit, die nie dazu neigt, vom Ausstellen der eigenen Fähigkeiten in die Ecke gedrängt zu werden. Manchmal wird’s romantisch. Aber nicht wie in Vegas, eher wie im Partykeller, wenn ein junges Paar feststellt, dass alle Gäste längst im Bett sind. Wie man das nennen mag? Vielleicht Yachtrock, straight outta Badewanne. Oder Rainbow-Eyed Soul. Womöglich auch vielwinkeliger Salon-Wave.
AmazonAch, eigentlich verhält es sich einfach so: Die Höchste Eisenbahn hat eine ganz eigene Art von Pop entwickelt, ebenso gescheit wie neugierig wie sexy. Als würde man 1000 Puzzleteile auf den Boden schleudern und sie fänden von selbst zueinander, zum allerschönsten Bild überhaupt.