Der Moment der Wahrheit :: Regie: James Vanderbilt
Hat George W. Bush sich um seine Militärzeit gedrückt? Hollywood hat seine eigene Antwort, die nicht allen passt
Hollywood findet für jede Krise den passenden Krisenfilm. Meist treten sie in Schwärmen und – die Filmindustrie arbeitet langsam – mit zeitlicher Verzögerung auf. James Vanderbilts Regiedebüt „Der Moment der Wahrheit“ handelt von gleich zwei Krisen: der des Journalismus und der der US-Politik. 2004 wurde der amerikanische Nachrichtenveteran Dan Rather, der schon aus Vietnam berichtet und erst kurz zuvor mit seiner Redaktion die Folterungen im irakischen Gefängnis Abu Ghraib enthüllt hatte, von seinem Sender CBS gefeuert, weil ein Beitrag in der Sendung „60 Minutes“ über die fingierte Militärvergangenheit des damaligen US-Präsidenten George W. Bush auf gefälschten Beweisen basiert haben soll. Der Vorwurf beendete die Karrieren von Rather und seiner Produzentin Mary Mapes und sicherten Bush eine zweite Amtszeit, obwohl den Journalisten nie nachgewiesen werden konnte, dass ihre Dokumente fabriziert waren. „Rathergate“ ist ein unrühmliches Kapitel in der jüngeren Geschichte des US-Journalismus – und im Lebenslauf Bushs.
Dass dieser Skandal über zehn Jahre zurückliegt, ändert nichts an der Aktualität von „Der Moment der Wahrheit“. Nach „Kill The Messenger“ (über die Verstrickung von CIA und Contra-Rebellen im Drogenhandel) und „Spotlight“ (über die systematische Vertuschung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche) ist es bereits der dritte Film innerhalb von zwölf Monaten, der als Plädoyer für den guten alten Journalismus verstanden werden kann. Um dessen Zustand macht man sich in Hollywood offenbar Sorgen. Die Filmindustrie war schon immer ein verlässlicher Seismograf für gesellschaftliche Krisen; das Timing verrät, wie sehr dieses Thema Hollywoods liberalen Flügel derzeit beschäftigt. Die letzte Grundsatzerklärung zur Presse- und Meinungsfreiheit, George Clooneys meisterlicher „Good Night, and Good Luck“, liegt schließlich auch schon wieder elf Jahre zurück.
„Der Moment der Wahrheit“ knüpft, wenn ihm auch die stilistische Eleganz des Clooney-Films fehlt (was vielleicht daran liegt, dass 2004 in den Redaktionsräumen nicht mehr so hemmungslos gequarzt wurde wie in den Fünfzigern), in seinem rechtschaffenden Furor an „Good Night, and Good Luck“ an. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Konfrontation mit McCarthy für Edward Murrow glimpflicher ausging als Rathers Fernduell mit dem amtierenden US-Präsidenten. Auch darum ist „Der Moment der Wahrheit“ ein parteilicher Film, der sich auf die Seite von Rather und Mapes schlägt. Selbst wohlgesonnene US-Kritiker bezeichneten Vanderbilts Film als „Propaganda“. Das ist auch kein Wunder, denn „Der Moment der Wahrheit“ basiert auf Mapes’ Buch „Truth And Duty: The Press, The President, and the Privilege of Power“. Damals gingen die wahren Hintergründe von „Rathergate“ in einem turbulenten Präsidentschaftswahlkampf unter, in dem später auch Bushs Lager mit einer Schmierenkampagne um die „Swift Boat“-Affäre die Kriegsverdienste des demokratischen Kandidaten John Kerry öffentlich infrage stellte. „Der Moment der Wahrheit“ versucht rückwirkend noch einmal, die Faktenlage zu klären.
Und Hollywood hat ein Faible dafür, Journalismus und Politik mit Glamour-Faktors inszenieren. Unwiderstehlich ist an „Der Moment der Wahrheit“ vor allem seine Starpower in Person von Robert Redford und Cate Blanchett. Seit „Die Unbestechlichen“, Alan J. Pakulas Reporterthriller über die Watergate-Enthüllungen, verkörpert Redford wie kein anderer Schauspieler das liberale Gewissen Hollywoods. Dass er nun auch als gutes Gewissen der US-amerikanischen Medien vor der Kamera steht, hat fast etwas Staatsmännisches. Entsprechend reserviert agiert Redford. Er gibt einige salbungsvolle Preziosen über den Wert des kritischen Journalismus von sich, während für die Wutreden die Reporter aus der zweiten Reihe (Topher Grace und Elisabeth Moss) zuständig sind. Da klingt jede Menge Pathos mit, aber Redfords steinerner Gravitas sieht man das gerne nach.
Das Powerhouse ist in „Der Moment der Wahrheit“ ohnehin Blanchett als Mary Mapes, die tatsächlich wirkt, als würde sie ständig unter Strom stehen. Ihre heiß laufende Performance exponiert Mapes mehr als Rather, den Redford wie einen väterlichen Mentor aus dem Hintergrund agieren lässt. Allerdings war Mapes auch das Hauptziel der Attacken der politischen Gegner (sowieder medialen Konkurrenz), vor denen ihr Sender schließlich einknickte. Der „Showdown“ des Films ist ihre Anhörung vor einem ausschließlich männlich besetzten Ausschuss, der Mapes’ Objektivität als Journalistin untersucht. Die eigentliche Frage, ob sich Geor- ge W. Bush Anfang der 70er-Jahre mit den Kontakten seines Vaters um einen Einsatz in Vietnam drückte, interessiert zu diesem Zeitpunkt niemanden mehr. Es geht vielmehr um die grundsätzliche Wahrung von journalistischen Standards, für die Mapes in ihrer Verteidigungsrede wortgewaltig einsteht. Allerdings verschweigt „Der Moment der Wahrheit“ auch nicht, dass ihr Team unter Hochdruck recherchieren musste, da die Deadline drängte. Stellenweise war der Beitrag mit heißer Nadel gestrickt. Einmal erinnert sich Redford/Rather wehmütig an die Zeit, als Nachrichten noch keinem Quotendruck unterlagen.
Rührend altmodisch ist an „Der Moment der Wahrheit“ aber nicht nur das Pathos von Wahrheit und Aufklärung (zum Abschied wird Redford in Zeitlupe in Szene gesetzt), sondern auch die mitunter zermürbende Genauigkeit, mit der er die Arbeit der Journalisten schildert. Vanderbilt, der schon das Drehbuch zu David Finchers großartigem Reporterfilm „Zodiac“ geschrieben hat, gewährt ein paar erhellende Einblicke in die Arbeitsroutine, gerade was die politischen Sachzwänge innerhalb des Senders angeht. Sein Plädoyer für einen kritischen Journalismus ist auch als Erinnerung an die schwindende Bedeutung der Traditionsmedien als vierte Gewalt in einer Demokratie zu verstehen. Somit eignet sich „Der Moment der Wahrheit“ vortrefflich für ein Double-Feature mit dem Oscar-Gewinner „Spotlight“, gerade weil beide Filme ganz unterschiedliche Beispiele heranziehen, um auf den Zustand der Medien in den USA aufmerksam zu machen. Daran kann vor dem Hintergrund des aktuellen Präsidentschaftswahlkampfs ruhig wieder mal erinnert werden.
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