„Death Note“ auf Netflix: Whitewashing im Schleudergang
Eine der beliebtesten Geschichten aus Japan wurde nun mit weißen Teenagern verfilmt. Themen wie Selbstjustiz und Machtmissbrauch sind hier eher Beiwerk, blutige Tatorte stehen im Vordergrund.
Bei Netflix herrscht anscheinend gerade etwas Dürre, wenn es um eigens produzierte Filme geht. Während mit „Ozark“ und „Glow“ zuletzt erfolgreiche Serien premierten, wurde erstaunlich viel Marketing-Budget und Aufmerksamkeit auf „Death Note“ verwendet, sogar einen Auftritt auf der Comic-Con in San Diego war für den Film drin. Ist die Verfilmung der Manga-Reihe also mehr als ein Nischenfilm für Fantasy-Geeks?
Die Story fällt vom Himmel
Adam Wingard, der zuletzt ein belangloses Sequel zu „The Blair Witch Project“ drehte, stellt den Zuschauern im Eiltempo Light (Nat Wolff) vor. Der Schüler ist zwar ziemlich clever, bekommt aber in den ersten Minuten trotzdem von einem Bully aufs Maul. Die Handlung fällt in Form eines Notizbuchs vom Himmel (also wirklich: es fällt einfach vom Himmel) und Light vor die Füße. Er öffnet das Buch und erkennt, dass er nur einen Namen und eine Todesart in das Buch schreiben muss, dann ist die jeweilige Person erledigt. Ein Dämon erscheint und überzeugt Light, das Buch zu testen. Der Bully ist kurz darauf enthauptet, der Dämon hat eine Kette von Zufällen ausgelöst, die in bester „Final Destination“-Manier zur Enthauptung führten.
Fantasy trifft also auf Horror und ein Blutbad – nach nicht einmal 10 Minuten. Die nicht einmal zwei Stunden, die Netflix und Wingard sich nehmen, um „Death Note“ zu verfilmen, können der Vorlage sowieso nicht gerecht werden. Es überrascht etwas, dass Netlix (wie sonst gefühlt immer) keine Serie aus dem Stoff macht. Immerhin könnte man die einzelnen Fälle, in denen Light Buch und Dämon einsetzt, hervorragend in einer Serie in einzelnen Episoden umsetzen.
So leider bleibt wirklich nur das kurze Geek-Fest, in dem die zentralen Themen Selbstjustiz und Machtmissbrauch keinen Raum zum Atmen bekommen, genausowenig wie die perverse Lust, die Light und seine Angebetete dabei empfinden, via Stift und Papier ins Weltgeschehen einzugreifen. Für ernste Gedanken sind die Dialoge zu kühl, zu flach.
Wingard konzentriert sich nicht auf die interessanten Fragen, die „Death Note“ im Manga aufwarf, sondern lieber auf hochstilisierte Tatorte, in die Bildsprache floss hier nämlich die meiste Arbeit. Weniger Mühe wurde darin investiert, die japanischen Wurzeln der Geschichte beizubehalten. „Death Note“ – und das bleibt letztendlich vom Film hängen – ist Whitewashing in Reinkultur.
Eine Anmaßung von einem Film
Whitewashing bezeichnet die Hollywood-Angewohnheit, Geschichten aus anderen Kulturkreisen zu adaptieren, die Namen an die „westliche Welt“ anzupassen und weiße Schauspieler Figuren verkörpern zu lassen, die ursprünglich japanisch, nordafrikanisch oder was auch immer waren. In „Death Note“ werden nun mal wieder asiatische Charaktere zu Teens aus den USA, zwischendrin darf mal ein Quoten-Japaner ein paar Sätze sagen. Ach so: Willem Dafoe spricht den mordlustigen Dämonen, aber Dafoe ist eben manchmal auch für jeden Scheiß zu haben.Durch das Whitewashing wird „Death Note“ zu mehr als einer enttäuschenden Adaption, die besser eine Serie statt ein Film sein sollte. Adam Wingards Speedrun wird dadurch sogar zur Anmaßung wie es zuletzt „Ghost in the Shell“ war.