David Bowie :: Outside

Als wär’s der Soundtrack für einen Phil Marlowe-Streifen im Cyberspace: So klingt die Musik des Thin White Duke, während der Countdown für den Start ins neue Jahrtausend läuft. Sieht so aus, als würde die magische Zahl 2000 nicht nur Weltuntergangs-Propheten und Sektierer beschäftigen, sondern auch Meister Bowies Phantasie mächtig beflügeln. OUTSIDE jedenfalls ist weit mehr als nur die neue CD von David Bowie. Sie ist der Auftakt eines fünfteiligen Zyklus (mit je einer Veröffentlichung pro lahr bis 1999), der unter dem Titel THE NATHAN ADLER DIARIES firmiert. Besagter Tagebuchschreiber ist Kriminalprofessor vom Dezernat für Kunstverbrechen (und nebenbei Bowies alter ego), der den Mord an einer 14jährigen Ausreißerin aufzuklären hat. Deren Leiche hat man im „Museum Of Modern Parts“ als Kunstwerk ausgestellt. Bevölkert wird diese schräge Story von allerlei schillernden Figuren: einer Ex-Hohepriesterin namens Ramona A. Stone zum Beispiel, der Geschäftsfrau Algeria Touchshriel oder einem „Tyrannischen Futuristen“. Was klingt wie ein Mutanten-Mix aus Miami Vice, Mabuse, Metropolis und Muppet Show, soll laut Bowie, der alle Rollen selbst singt, ein emotionales Tagebuch sein, „eine Bestandsaufnahme dieses Jahres“. Naja. Weit interessanter als dieser platte Plot mit kryptischer Botschaft ist dessen musikalische Umsetzung. Das liegt vor allem an Brian Eno. Daß dieser hochkreative Schöngeist Bowie guttut, weiß man spätestens seit den gemeinsamen Klassikern LOW und HEROES von 1977. OUTSIDE, von Brian Eno co-produziert und musikalisch enorm bereichert, mutet mitunter an wie eine Mischung aus den Klanggemälden dieser beiden Alben und dem metallischen Maschinenrock der von Bowie betreuten Iggy Pop-Alben THE IDIOT und LUST FOR LIFE. Kurzum: Lichtjahre entfernt von musikalischem Flachsinn ä la LET’S DANCE. Bowie und Eno verzichten fast völlig auf eingängige Melodien und straighte Rhythmen. Komplexe Kompositionen abseits eingefahrener Hörgewohnheiten sind angesagt. Da macht auch die Single-Auskopplung keine Ausnahme: Mit stolperndem Beat, Stimmengewirr und eisigen Gitarreneinwürfen wehrt sich ‚The Heart’s Filthy Lesson‘ erfolgreich gegen vordergründige Charts-Tauglichkeit. ‚I Have Not Been To Oxford Town‘ kommt als Roboter-Funk. ‚Hallo Spaceboy‘ klingt nicht nur wegen des ‚Bye, Bye Love‘-Refrains nach Everly Brothers-Soundalikes aus einer fernen Galaxis. ‚The Motel‘ mutiert vom freien Stück für Stimme und Baß zur Piano-Ballade zum träge dahinströmenden Rocksong. Kompliment an die vorzügliche Begleitmannschaft, allen voran die Gitarristen Reeves Gabreis und Bowie-Veteran Carlos Alomar, Mike Garson an den Tasten sowie Sterling Campbell (Soul Asylum) an den Drums, der spielerisch leicht die vertracktesten Grooves aus dem Handgelenk schüttelt. Für einen großen Wurf enthält OUTSIDE ein paar Selbstzitate zu viel, ‚Strangers When We Meet‘ etwa bedient sich großzügig bei ‚Heroes‘. Ein gelungener Neubeginn, mal verstörend, mal faszinierend ist das Album allemal. Auf die Fortsetzung darf man wahrlich gespannt sein.