David Bowie :: Heathen

David trifft Tony - und macht sein bestes Album seit vielen Jahren. Heidnische Chemie.

Groß war das Wohlwollen – und vielleicht auch die Erleichterung – unter den Bowiephilen, als David Bowie 1999 nach anderthalb Jahrzehnten der künstlerischen Selbstsuche mit entmutigenden Tiefpunkten („Never Let Me Down“), irritierender Rock-Therapie (Tin Machine) und den nur sporadisch Glanzlichter setzenden, eigensinnigen ’90er-Experimenten mit HOURS… ein Album machte, das reduziert und selbstsicher in sich ruhte. Fiel an HOURS… auf, dass Bowie erstmals seit langem den Song über den Sound gestellt hatte, offeriert HEATHEN jetzt das beste aus beiden Welten. Bowies erste Zusammenarbeit mit seinem kongenialen Arrangeur/Produzenten Tony Visconti seit den „Berlin-Alben“ und SCARY MONSTERS (AND SUPER CREEPS) (1980) ist ein einnehmendes, reifes Album – vielleicht Bowies bestes seit SCARY MONSTERS -, das sich des Gesamtwerkes im Hinterkopf bewusst ist und darausschöpft, ohne freilich nur wohlfeile Versatzstücke aneinander zu reihen. Die elf Songs funkeln dunkel und vielschichtig zwischen Elektronik noir, verspulten Synthetik-Sounds IBowie hat sein Faible für skurrile Antik-Synthesizer ausgelebt, was uns – 32 Jahre nach „Space Oddity“ – unter anderem die Rückkehr des ruhmreichen Stylophon beschert), trocken produziertem („Afraid“) und pathosbreitem Rock („Slow Burn“ mit der zerrenden Gast-Gitarre von Pete Townshend), katzengleich wendigen Beats (wie in dem wundervollen „I Would Be Your Slave“) und Viscontis eleganten Streicher- und Bläserarrangements. Bowie – in Hochform zwischen weichem Scott-Walker-Croon und stimmbandwunder Brüchigkeit – wühlt in Seinsfragen („Slip Away“ mit seinem „Space Oddity“-Melodrama), wird gleich zwei Mal beim Allmächtigen höchstselbst vorstellig (das fordernde, musikalisch eher platte „A Better Future“; „I Would Be Your Slave“). Er bleckt die Zähne in dem sardonischen Gute-Miene-zum-bösen-Spiel-Postulat von „Afraid“ (If I put my faith in medication … I won’t be afraid anymore“) und erlaubt sich etwas Sentimentalität in dem überzuckerten Hyperbritpop-Triefer „Everyone Says Hi“. Das Thema Liebe wird in drei sehr unterschiedlichen Coverversionenl!) verhandelt: NeilYoungs in jungen Jahren geschriebenem, doch vor weltweiser Erlösungssehnsucht bebendem „I’ve Been Waiting For You“, dem obsessiven Pixies-Fieberwahn „Cactus“ und „Gemini Spacecraft“, einem elektrifizierten Cover des obskuren 60’s-Kulthelden The Legendary Stardust Cowboy (von dem sich Bowie einst seinen Ziggy-Nachnamen auslieh). Und dann ist da der Titelsong am Ausgang des Albums, majestätisch elektro-orchestral sich auftürmend über düsteren „Warszawa“/“Neuköln“-Synthieflächen, ein Wunderwerk. „Have I stayed too long?“, fragt Bowie. Keine Minute, Sir.