Current 93 – Judas As Black Moth

Es ist eine fremde und seltsame Welt, die diesen David Michael Tibet umfängt und aus dem Schatten trägt, hinauf ins Licht der Melodie, bis zu den Zähnen der Winde der See (ja, so liest sich ein Songtitel). Die Geister und die Dämonen des unsichtbaren Universums hinter dem läppischen unsrigen sind das eigentliche Thema des erleuchteten Sängers und Gitarristen. Als Spezialist fürs Krypto-Spirituelle mit Antenne zum Herrn hat Tibet Eindruck hinterlassen, ebenso als Poet und Saitenzwirbler mit starker emotionaler Drift. Plattentitel wie Black Ships At The Sky erinnern aber auch an den Science-Fiction-Anteil in der verästelten, chaotischen Current-93-Diskographie, die Mitte der 80er Jahre beginnt. Längst haben Tibets Aufnahmen eine Heimstatt auf seinem eigenem Durtro-Label gefunden, neben den Alben, die der Künstler von verwandten Soul Searchern wie Antony (And The Johnsons) und Steven Stapleton (Nurse With Wound) dort veröffentlicht. Man kann sich Current 93 wie ein Kind anhören und sagen, das ist ja komisch, ein Butterbrot zur Hand nehmen und im Kreis tanzen. Kann man das? Man löse lieber gleich ein Ticket fürs Tibet-Theater. „Lucifer Over London“ schnaubt der mit wüster Stimme, als befände er sich auf einer billigen Kleinkunstbühne irgendwo im East End und das Publikum verlange nach Erlösung, sofort, oh Herr. Andere Stücke sind gut im Folk geerdet, um Spoken-Word-Passagen gebaut oder klingen wie Vorstufen zu den Sisters Of Mercy, die nie im Rock’n’Roll gezündet wurden. Judas As Black Moth ist die erste umfassende Current-93-Anthologie. wurde von Tibet selbst zusammengestellt, enthält 32 Tracks auf zwei CDs, Aufnahmen von 1986 bis 2005- Als Musikers-Musiker kann Tibet sich den Lobpreisungen der Kollegen (von Marc Almond bis Devendra Banhart) genauso sicher sein wie der einen oder anderen kurzen handschriftlichen Hinterlassenschaft auf seinen Alben (Nick Cave und Sixties-Folk-Heroine Shirley Collins singen „All The Pretty Little Horses“). Shirley Collins ist es auch, die dem Geheimnis Current 93 am gründlichsten nachstellt:

„Verstehe ich das altes? Nein. Mag ich es vielleicht gerade deshalb? Vielleicht. Mit David Tibet kann ich den Sinn des Unerreichbaren fassen.“

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