Colour Haze – All

Wollte Rockmusik das früher nicht immer (angeblich): befreiend wirken, von Zwängen, Ausbeutung, Klamotten? Heute befreit sie meistenteils von Geld und Lebenszeit, ist weniger Konsumartikel als Reklame für sich selbst. Man mag das traurig oder normal finden, es kann einem auch egal sein, solange man nicht zu aufdringlich zugedröhnt wird von den Kaufbefehlen der Leute, die einen ständig rocken, schocken, animieren, dominieren wollen; als Alternative bleibt Stille und ganz selten jemand, der anderes im Sinn hat. Wie diese drei Männer, die mal mit einem Faible für Black Sabbath anfingen und inzwischen ganz woanders gelandet sind. Man kann das Stoner-Rock nennen, aber die repetitive Kraut-Hypnotik(von Can bis Tangerine Dream) spielt da bei ebenso eine Rolle wie die mähnenschüttelnde, popfreie Ur-Rock-Geste(als sie noch nicht zur Pose versteinert war) und Annäherungen an Jazz und Weltmusik, intuitiv und organisch verstanden als Suche nach einer musikalischen Ursprache. Dabei brauen sich Riffs mehr zusammen, als dass sie gespielt werden, ist alles in dauernder Bewegung, und wer in längeren Tracks ein paar Minuten skippt, schüttelt verwundert den Kopf, weil plötzlich alles anders und doch gleich ist. Unmerklich wandelt sich atmosphärisches Schweben in wildes Pulsieren, das die Zeit aufhebt und dafür sorgt, dass einem das Titelstück (14:49) nicht länger vorkommt als die sanft rasende Kanonade „If‘ (3:30). Das wirkt wie eine Flaschenbotschaft aus fernen Zeiten, als Rockmusik jenseits aller kommerziellen und strukturellen Schemata und Normen entstand und gespielt wurde-hemmungslos und laut, weil sie ja sonst nicht verderblich, krank und böse beziehungsweise-je nach (geistiger) Generation-majestätisch,welterfüllend und unendlich gewesen wäre. Solche Musik hat naturgemäß Schwächen, die der Entstehung aus Situation und Wechselwirkung geschuldet sind, sich bei Colour Haze aber auf den Gesang beschränken, der indes sehr sparsam eingesetzt wird, während sich die Instrumente in den Sumpf des Unerhörten begeben, mal bedächtig tastend, mal mit ekstatischen Kopfsprüngen. Das ist Musik, die sich selbst genügt und den ganzen Produktezirkus, der irgendwo da draußen lärmt, lächerlich wirken lässt. Sie springt einen nicht an; Menschen mit Konsumenten-Hörgewohnheiten müssen sich darauf einlassen. Dann aber geht es ihnen wie den ersten Astronauten, die die Erde aus dem All sahen: Sie werden ein blaugrünes Wunder erleben.

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