Cherry Glazerr
Apocalipstick
Secretly Canadian/Cargo
So etwas wie der Soundtrack für ein Riot-Grrrl-Gesamtkunstwerk, in dem Rock’n’Roll, Epik und ambitionierter Trash zusammenkommen.
Clementine Creevy kennt sich mit den diversen Identitäten aus, die eine 19-Jährige annehmen kann, wenn sie denn nur genügend Lust auf Exzentrik mitbringt: Sie steht Modell für Emma Mulhollands Modelabel, debütierte als Actrice in der fiktionalen Band Glitterish für das US-TV-Format „Transparent“ über einen Transgender-Familienvater und definiert sich als Frontfrau des ziemlich lauten Trios Cherry Glazerr, das sie in ihrer Highschool-Zeit gegründet hat. Dem Vernehmen nach soll die Amerikanerin auch die beiden Rollen außerhalb ihrer eigenen Band mit reichlich Farbe füllen, bei Cherry Glazerr aber erfindet die zur „Teen Queen“ gekürte Sängerin sich mit jedem Song neu.
APOCALIPSTICK ist so etwas wie ein Soundtrack zu einem Starschnitt aus dem Riot-Grrrl-Prospekt. Hier kommen Rock’n’Roll, Epik und ambitionierter Trash durchaus gewinnend zusammen, die Vokalistin sucht ihre Position im Feminismus und findet sie im heimlichen „Hit“ des Albums: „Told You I’d Be With The Guys“ steht für nichts anderes als den Ruf nach Solidarität unter Frauen: „Now, now I see the beauty. It’s necessary to give a lady love“.
Das Stück „Sip O’ Poison“ kommt den Genre-Vordenkerinnen Bikini Kill aus Olympia, Washington, nahe, „Nurse Ratched“ ist die Cinemascope-Rockballade, die man eigentlich auf Angel Olsens aktuellem Album MY WOMAN erwartet hatte. Aber Cherry Glazerr wissen auch einen Prog-Rock-Song im Bubblegum-Sound zu verarbeiten („Lucid Dreams“), sie quietschen und dröhnen diese ihre Musik in unsere Aufmerksamkeitskanäle. Das heißt leider noch nicht, dass das hier alles Songs sind, die sich über den Durchschnitt des amerikanischen Alternative-Rock locker erheben. Bei Cherry Glazerr mag das Gesamtkunstwerk becircen, das Detail fällt dabei allerdings schon mal hinten runter.