Chelsea Wolfe
Abyss
Sargent House/Cargo VÖ: 7.08.2015
Großes Theater: das fünfte Album der Goth-Folk-Drone-Musikerin aus Kalifornien.
In einer Popwelt, die sich frei gemacht hat vom Gedanken an den reinen Unterhaltungsauftrag, an das Gute-Laune-Verbreiten, ist Goth schon eine ernst zu nehmende Option. Freilich nicht diese vereinsmeierische, organisierte Form von Goth, wie sie in Deutschland so gerne gehabt wird. Man darf Chelsea Wolfe auf ihren ersten vier Alben eine hohe Affinität zum Goth bescheinigen, eine Nähe, die ausgehend vom Folk mit Drone und Metal-Einschlag zum Elektronik-infizierten David-Lynch-Dream-Pop ihres letzten Albums PAIN IS BEAUTY (2013) geführt hat. Nicht, dass die 31-jährige Kalifornierin nicht in den sozialen Netzwerken mit stimmungsvollen Schwarz-Weiß-Fotos das Image der schwarzgekleideten, suizidalen Outsiderin pflegen würde, aber Chelsea Wolfe steht immer noch näher an PJ Harvey und Gazelle Twin als am Wave-Gothik-Treffen in Leipzig.
Auf ihrem fünften Album ABYSS lässt Wolfe alle Dämme brechen. So heavy wie hier hat sie noch nie geklungen, aber auch nicht so differenziert in ihrem Spiel mit der Dynamik. Sie nutzt die ganze Palette ihrer Kunst: Minimalismus und Opulenz, Sequenzen, die in ihrer Lautstärke alles platt machen (Produzent John Congleton kennt das von seiner Arbeit mit Swans) und ganz zarte Balladen, denen der berufsmäßige Schmerz des Schwarzkittels innewohnt. Das ist großes Theater; eine Kunstfigur in einer Kunstwelt erfordert eben ein gewisses Maß an Übertreibung und Theatralik.