Camille – Music hole

Auf ihren Covern sieht sie extra doof aus. in ihren Videos macht sie sich grundsätzlich zum Affen. In ihren Liedern produziert sie Würgegeräusche, jault wie eine Katze, schnauft und klackert irre mit der Zunge. Auf ihren Konzerten spielt sie ab und zu „Don’t Worry Be Happy“. Hat Camille Dalmais eine Macke? Während ihre ersten beiden Platten schon hellhörig machten (die Lieder auf le fil sind um einen 70 Minuten durchgängig anhaltenden Grundton gebaut), aber noch als bizarre Chansons einer talentierten Musikerin durchgingen, wird auf music hole eins sofort klar: Instrumente sind was für Normalos. Höchstens etwas Klavier

darf es hier noch sein. Aber alles andere muss aus dem eigenen Körper herausgeholt werden. Im fingergeschnippten Soulstück „Gospel With No Lord“ und in „Home Is Where It Hurts“, das in Wolfsgeheule und abgehacktem Atmen endet, sagt sie: Die einzige Heimat, die es gibt, bist du selbst. Also schöpfe aus deinem Körper. So malträtiert die Französin ihr Music hole, ihren Mund samt Gaumen und Hals, und fabriziert damit neben ihrem ausgebildeten und sehr schönen Gesang all diese bizarren Geräusche. Im Disco-Popsong „Money Note“ imitiert Camille den Gesang von Pop-Tussis und singt „I wanna beat Mariah“; am Ende fällt Kleingeld auf den Boden. Es gibt gesanglose Stücke mit Fußtritten, zwei Klavierakkorden und massig überlagerten Stimmflächen,die sich zu etwas hinaufschrauben, für das jeder Horrorfilm-Regisseur viel Geld bezahlen würde. Das Ergebnis ist so atemberaubend wie kopfschmerzerzeugend. Dazwischen aber auch immer mal wieder: einfach Popmusiken diesen Momenten ist Camille am besten.

VÖ.9.5.

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