Bye Bye, Lubben City – Bluesfreaks, Tramps und Hippies in der DDR
„Er heißt Andreas, Micha oder Frank / Und kommt aus Lubben, Frankfurt oder anderswo […] Am Wochenende steht er an der Piste /Und zeigt seinen Daumen vor /Die Musik, die da gespielt wird, wo er hin will /Hat er lange schon im Ohr..] Bye bye, Lubben City.“ Mit diesen Zeilen meißelte Rainer Lojewski. Trommler und Texter der Band Monokel, den „Bluesern“ einen soliden Gedenkstein. Die unangepassten Teilzeitaussteiger mit langem Haar und Umhängebart in der sogenannten DDR übersetzten Kalifornien notgedrungen mit Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und San Francisco mit Ebersbrunn, Auerbach, Mülsen St, Niklas und Teichwolframsdorf. Ihre AUman Brothers, Canned Heats, Muddy Waters‘ und John Mayalls hießen Monokel, Engerling, Stefan Oiestelmann und Jürgen Kerth. Uninformiertheit und Uniformiertheit gingen da ein dauerhaftes Bündnis ein. Für Fleischerhemden, Jesuslatschen, Parkas, Levi’s und Hirschbeutel gaben sie, gemessen an ihren Einkünften, unanständige Beträge aus, für Westschallplatten oder eine Mundharmonika hätten sie die eigene Großmutter in Zahlung gegeben. Und oft ersetzte Transpiration die Konspiration. Doch als die Pastorenkinder ihre „Szene“ zu unterwandern begannen, als sogar Bluesmessen und Biermann-Gedächtnis-Unterwäschemodenschauen unvermeidlich schienen, begann der Anfang von nicht nur ihrem Ende. All dies haben die Herausgeber optimal vielstimmig o-tonal ausgeleuchtet und grandios bebildert. Aktivisten kommen zu Wort, erzählen von haarsträubendem Spirituosenkonsum und illegalen Funballturnieren zwischen „Assi Gera“ und „Schlampi Karl Marx Stadt“ und reiben sich heute noch ungläubig die Augen, was alles möglich gewesen war, lange bevor alles anders geworden ist. Die wichtigsten Bands werden ausführlich porträtiert. Wir erfahren, dass die Mädchen in Freiberg mit der Kennzeichnung „oH“ = „ohne Höschen „; H. S.) auf dem Handrücken die Paarungsvorbereitungen diskret vereinfachten und was die Staatssicherheit gegen solche „Leute mit Sozialisierungsdefiziten“ zu unternehmen gedachte. Allerdings sorgt ihr stets politisch-diffuses Dagegensein auch dafür, dass man gar nicht wissen möchte, was aus all den „Bluesern“ geworden sein dürfte oder könnte, Für viele wird dieses das erste oder einzige Buch sein, das sie sich leisten können, für wenige vielleicht das letzte. Nur: Wann wird es endlich Dokumentationen über die sogenannte DDR geben, die ohne Beiträge von Lutz Rathenow und Christoph Dieckmann auskommen?
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