Bruce Springsteen :: We Shall Overcome: The Seeger Sessions

Diese Folk-Klassiker mögen manchem älter als die Welt vorkommen. Doch wenn Bruce Springsteen sie singt, klingen sie so aktuell wie eh und je.

Für die Unwissenden da draußen ein kurzer geschichtlicher Exkurs: Pete Seeger, Jahrgang 1919, gilt – neben seinem Freund und Weggefährten Woody Guthrie – als der Urvater des politisch bewegten, soziale Mißstände anprangernden, US-amerikanischen Folksongs. Er schrieb unsterbliche Tunes, etwa „Joe Hill“, „Where Have All The Flowers Gone“ und das von den Byrds popularisierte „Turn! Turn! Turn!“. Musikalische Toleranz indes war seine Sache nicht, und so versuchte er beim Newport Folk Festival 1965, als Bob Dylan mit der Paul Butterfield Blues Band seinen elektrischen Set begann, mit einer Axt diverse Kabel zu kappen. Ende des Exkurses. Wir vermuten mal: Von Bruce Springsteens Platten gefällt Pete Seeger Nebraska, auf jeden Fall The Ghost Of Tom Joad und womöglich auch DEVILS & DUST. Daß der Mann aus New Jersey, dem man so ungefragt wie unpassend den Titel „the boss“ und die Rolle als „Stimme all der blue collar worker da draußen“ aufnötigte, irgendwann mal ein Album mit Liedern der Folk-Koryphäe aufnehmen würde, darauf hätte man wetten mögen, seit er vor zehn Jahren „We Shall Overcome“ für den Seeger-Tribute Where Have All The Flowers Gone einspielte. Darauf, daß We Shall Overcome nun tatsächlich funktionieren und – oh Wunder – nicht piefig belehren, sondern prächtig unterhalten, einem gar eine Gänsehaut nach der anderen verpassen würde, eher nicht. Gemeinsam mit einer Schar von Sängern sowie Tuba-, Posaunen-, Akkordeon-, Banjo-, Orgel- und Zupfbaß-Spielern erweckt er tatsächlich all die alten Folk-Gassenhauer („Jesse James“, „John Henry , „Eyes On The Prize“, „Jacobs Ladder“, „Shenandoah“, die Bürgerrechtshymne „We Shall Overcome“ natürlich) zu neuem Leben, bläst Staub und Spinnweben fort – und doch läßt er diesen sepiafarbenen Tunes ihre Würde, ihre Wahrhaftigkeit, verleiht ihnen aber dazu eine Relevanz, eine Heutigkeit, die frappiert. Und man spürt in jedem Moment: Es geht Springsteen – wie vor ihm Guthrie und Seeger – um die alten, die ewig gefährdeten Werte, um Menschlichkeit und um Solidarität. You may call him a dreamer, but he’s not the only one.

P.S.: Eine zusätzliche DVD bzw. die DVD-Seite der Dualdisc enthält unter anderem eine Studiodoku, Live-Performances sowie zwei Bonustracks.