Bootleg!
Staunen. Die Geschichte der Bootlegs beginnt mit Shakespeare!? Für den englischen Dichter zählte zeitweise nur die lebendige Aufführung seiner Werke – das geschriebene Wort wollte er nicht unbedingt veröffentlicht sehen. Aber was sollten jene tun, die sich auch im Nachhinein an seinen genialen Ideen erlaben wollten? Dafür gab es Menschen, die die Texte der Aufführungen lohne Erlaubnis zu Papier brachten – und eventuell weiterverkauften. Der erste Bootleg der Rockmusik entstand etwas später: the great white wonder, eine Doppel-LP mit nichtauthorisierten Mitschnitten von Bob Dylan, brachte 1969 die Welle ins Rollen. Kurze Zeit später… Gerne würde man alles wiedergeben, was Clinton Heylin an Fakten und Anekdoten in dieses einzigartige Buch gepackt hat – aber wer sich für das riesige Thema ernsthaft interessiert, muss sich wohl selber hineinziehen lassen in den 375 Seiten dicken Strudel, der indes über weite Strecken so spannend, brillant und immer wieder beißend sarkastisch (wenn es um die Blödheit und Ignoranz der „legalen“ Musikindustrie oder bestimmte künstlerische Bruchlandungen bestimmter Künstler geht] geschrieben ist, dass man das Buch nur in die Hand nehmen sollte, wenn am selben Tag keine dringenden Termine mehr anstehen. Nach der obligatorischen Geschichte des Bootleggings befasst sich der Autor ausgiebig mit den komplexen Bereichen, die der Untertitel andeutet: „The Rise & Fall Of The Secret Recording Industry“. Denn natürlich steckt hinter dem Mitschneiden und Veröffentlichen von Konzerten, Radiosendungen etc. oft mehr als nur Menschenfreundlichkeit oder Fantum. Auch hier gibt es Genies, Idealisten, Versager, Schwindler. Bootlegging ist eine gut (zeitweise glänzend] organisierte und finanziell auswertbare, meist illegale Form des Musikvertriebs. Und damit automatisch ein Dorn im Auge von Konzernen, Justiz und eventuell auch Künstlern (die allerdings im digitalen Zeitalter dazu übergingen, die Bootlegger selber mal zu bootleggen und Teile von deren Produkten auf legalen CDs zu veröffentlichen). „Bootleg!“ bietet eine enorme Fülle an gut recherchierten Informationen, anschauliche Portraits prägender Figuren des Gegen-Biz und darüber hinaus eine Menge glänzender Reflexionen über den „großen Konkurrenten“ der Bootlegger, seine oft nicht weniger zweifelhaften Vorgehensweisen und sein erratisches Herumgeeiere nicht nur in rechtlichen und künstlerischen Fragen, sondern insbesondere wenn es um technische Entwicklungen geht. Für Insider ist das Buch ein Muss – Hitkonsumenten, die nur ein peripheres Interesse an den Mechanismen der Industrie aufbringen, wird es streckenweise zu detailliert und faktenreich erscheinen.
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